Vergänglichkeit des Ruhmes
Gertrud Ederle, die junge Deutsch-Amerikanerin, die im Jahr 1926 als erste Frau den englischen Kanal durchwamm, fristet heute als Schwimmlehrerin in Rye, N. D., ihr Leben. Ihr Name, der damals im Munde ganz Amerikas und halb Europas war, ist heute fast vergessen. Trotzdem haben wir Gertrud gefunden. Oben in dem Seebad Rye wurden wir auf ein stämmiges Mädchen aufmerksam, auf deren Badeanzug in großen Buchstaben der Name "Ederle" geschrieben stand. Wir hatten Mühe, uns mit ihr zu verständigen, denn das erst 24 Jahre alte Mädchen ist stark schwerhörig - eine Folge der damaligen Anstrengungen bei der Durchquerung des Kanals. Sie erzählte: "Es war nicht der Mühe wert! Es tut mir nicht Leid, dass ich es getan habe. Aber wenn ich gewusst hätte, wie die Dinge laufen werden, dass ich mein Gehör verlieren würde - dann hätte ich es gelassen. Die Ärzte sagen, dass das Schwimmen daran Schuld sei und jene schrecklich anstrengenden zwei Jahre, in denen ich zuviel im Wasser war und mir niemals Ruhe gönnen konnte!" Als wir uns neugierig über den Verbleib der phantastische Summen erkundigten - man sprach damals von einer Million Dollar -, die sie durch ihr Auftreten in Kinos erhalten haben soll, erfuhren wir zu unserem Erstaunen, dass Gertrud nur ungefähr 150.000 Dollar erhielt, wovon weniger als 50.000 Dollar in ihre eigene Tasche flossen. "Es war eben mein Pech. Niemand hat mich betrogen. Diese zwei Jahre, die ich für die Bühne in allen teilen Amerikas tätig war, kosteten heillos viel Geld. Für die Behandlung meiner Ohren musste ich außerdem viel aufwenden." Einst war die Empfangsparade in New York so fabelhaft, dass sich der Broadway kaum einer ähnlichen erinnern kann, heute ist ihr höchster Wunsch, als Schwimmlehrerin an einem großen Schwimmbad angestellt zu werden.
(1937 war in den Zeitungen zu lesen, dass G. Ederle infolge eines Falles nun auch gelähmt sei.)
Nach einem Bericht von Lisa Heiß-Stäbler v. Aug. 1930 im Stuttg. N. Tagebl.
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