Und was glaubst Du?

Wilhelm Busch erzählt: Im Jahre 1934 sprossten die germanischen Religionsunternehmungen in Deutschland hervor wie das Gras nach dem Regen. Professoren und Gauleiter, Generalsfrauen und HJ-Führer wetteiferten darin, ihre abstrusen Ideen als nordische Religion anzupreisen. Das arme Volk aber wartete, für welche der vielen Richtungen "der Führer" sich nun entscheiden würde. Nur eines war klar: Das Christentum war abgetan.
Damals also geschah es, dass in einer Werkspause Hennes mit einer großen Schar von Arbeitern im Fabrikhof stand. Man unterhielt sich. Und bald kam das Gespräch auch auf die Religion.
Da war namentlich einer, der sich mächtig wichtig nahm. Der redete große Worte. Und dann ergoss er seinen Spott über den Hennes, der "immer noch" zur Kirche ginge. Aber damit sei es nun bald zu Ende.
Hennes antwortete, so gut er es konnte. Die Diskussion wurde schnell heftig. Immer mehr Arbeiter drängten sich um die beiden.
Da sagte Hennes: "Ich habe den Eindruck, dass wir aneinander vorbeireden. Jetzt sollte zuerst einmal jeder von uns beiden klar sagen, was er denn eigentlich glaubt, damit unsere Standpunkte klar werden. Ich will den Anfang machen. Und dann sagst du, was du glaubst."
Und dann legte Hennes laut und vernehmlich los: "Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erden. Und an Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn ..."
Es wurde sehr still. In der Kirche  -  ja, da war dies apostolische Bekenntnis oft gesprochen worden. Aber hier! Zwischen Werkshauen auf dem Fabrikhof! Unter rauen Männern im Arbeitskleid!
Hennes ließ nichts aus: "... Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben. Amen!  -  So, das ist mein Glaubensbekenntnis. Und nun kommst du dran! Sage uns dein Bekenntnis!"
Der andre fing an zu stottern: "Hör mal, ...  pass mal auf!..." Aber nun war Hennes eiskalt: "Nix  -  pass mal auf! Du sollst uns sagen, was du glaubst!"
Wieder fing der andre an zu stottern: "Also - mit dem Christentum - das ist doch  -  das geht doch nicht."  -   - 
Hennes war unerbittlich: "Du sollst nicht sagen, was am Christentum verkehrt ist. Dass du gegen uns bist, haben wir ja nun begriffen. Du sollst uns jetzt positiv sagen, was du denn glaubst. Los, fang an!"
Atemlos lauschte ringsum das Volk dem Wortgefecht. Jetzt kamen ermunternde Stimmen: "Los, Karl! Sag es doch!"
Der stand mit einem puterroten Kopfe da. Endlich brach es aus ihm heraus: "Was ich glaube?! Was ich glaube?!  -   -  Ja, das ist noch nicht ganz raus! Da arbeiten sie noch dran in Berlin!"
Da brach ein Gelächter aus. Und in das Lärmen und Lachen hinein schrie der Ärmste zornig: "Wenn es aber raus ist, dann glaub' ich dran! Darauf könnt ihr euch verlassen!..."
Das bezweifelte nun keiner...
Ich habe oft gedacht, man müsste es mehr machen wie der Hennes. Man müsste die Bestreiter des Evangeliums nach ihrem eigenen Glauben fragen. Da käme es dann schnell heraus, dass die meisten groß sind im Negativen.
Aber wenn es darum geht, etwas Positives vorzubringen, sind sie meist sehr, sehr arme Leute.
O Hennes! Ich würde dir einen Lehrstuhl für praktische Theologie geben!

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 20
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