Umsonst im Gottesdienst
Eine alte Geschichte erzählt, wie der Teufel die Gottesdienstbesucher zur Unaufmerksamkeit verleitet.
"Siehst du das Mädchen dort? Ich darf nur ihre Augen auf die Hüte und Mäntel ihrer Nachbarinnen lenken. So ist ihre Aufmerksamkeit gefangen, und die Predigt geht ihr über den Kopf weg. -
Dort siehst du etliche junge Herren. Ob sie nicht auf etliche Kirchgängerinnen Blick und Gedanken die ganze Zeit gerichtet haben? Auch werde ich dafür sorgen, dass sie sich an einem ungeschickten Ausdruck des Predigers oder an einem Formfehler stoßen, und wenn sie zur Kirche hinausgehen so wissen sie nur eines, nämlich, dass der Prediger heute einen recht schwachen Tag gehabt habe. -
Da ist eine kleine, blasse Dame, die vor nichts größere Angst hat, als wenn es in der Kirche 'zieht' sie fürchtet sich entsetzlich vor Erkältungen. Ich werde ihr die Meinung beibringen, es ziehe, und sie wird die ganze Predigt hindurch an nichts anderes denken, als an den Zug. - Die beiden Geschäftsleute da drunten werden in ihren Gedanken während des ganzen Gottesdienstes nicht von den beiden Nachrichten loskommen, die sie unmittelbar vorher gelesen haben. -
Weiter hinten sitzt eine gute Kindermutter und denkt an ihre kleinen daheim. In dieser werde ich Unruhe erregen, ob nicht ihr kleinstes Pflänzchen während der Kirche zur Wiege herausfallen werde, weil sie dem Kindermädchen nicht vor dem gehen noch besonders eingeschärft habe, alle Vorsicht anzuwenden. -
Und siehe, dort sind zwei recht ehrbare Bürgersleute, mit denen habe ich es am leichtesten. Denen bringe ich bei, dass die Sünden, gegen die der Pfarrer predigt, irgendeinen von ihren Bekannten angehen. Da denkt der Friedrich an den Jakob, und der Jakob an den Friedrich, und beide gehen sehr befriedigt nach Hause. -
Kann ich einem Kirchgänger nicht beikommen, so suche ich ihm auf dem Heimweg den Segen des Gehörten zu nehmen, indem ich ihn in Alltagsgespräche verwickle (vgl. Matth. 13,3 ff.). -
Wie wichtig wird von da aus gesehen das stille Gebet am Anfang des Gottesdienstes."
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