Theodor Herzl, Begründer der Zionistischen Bewegung

»Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen!«
Vor 100 Jahren starb Theodor Herzl, der Begründer der Zionistischen Bewegung
zur Gründung des Staates Israel.
2. Mai 1860 bis 3. Juli 1904
»Ich will viel Fischer aussenden, spricht der Herr, die sollen sie fischen; und danach will Ich viel Jäger aussenden, die sollen sie fangen.« (Jer. 16,16)
Die Zeitumstände
Zur Rückführung des Volkes Israel ins Gelobte Land war Theodor Herzl der größte Fischer im Heilsplan Gottes. Er lebte als assimilierter Jude wie viele Juden diesseits orientiert auf der Sonnenseite des irdischen Lebens. Aber durch den Schock, den der Dreyfusprozess 1894/95 in Paris unter den Juden auslöste, erlebte er eine innere Umwandlung und wurde der Hauptfischer zur Rückführung des Volkes Israel. Er war so fest von einer Gründung des Staates Israel überzeugt, dass er in seinem Testament bestimmte, dass seine Gebeine nach dorthin überführt und im neu gegründeten Staat Israel neu beerdigt werden sollten. Man sagte damals noch der »Judenstaat«. 
Theodor Herzl wurde in der Zeit geboren, in welcher sich die Völker Europas auf dem Höhepunkt ihrer Macht befanden. England, Deutschland, Österreich und Russland waren Großmächte. Es war eine heile bürgerliche Welt, die durch den Ersten Weltkrieg zerstört wurde.
Die Vorfahren
Der Großvater väterlicherseits war Simon Löb Herzl, der von 1805 bis 1879 lebte. Dessen Vorfahren stammten aus Schlesien, Böhmen und Mähren und kamen nach dem Frieden von Passarowitz von 1718 nach Belgrad. Durch den dritten Türkenkrieg wurde Belgrad vom Türkenjoch befreit. Im vierten österreichisch-russischen Krieg von 1739 fiel Belgrad wieder an die Türken. Da zogen dreißig jüdische Familien in die österreichische Herrschaft nach Semlin. In der dortigen Synagoge lehrte Rabbiner Salomo Alkalai, der schon damals von frühzionistischen Ideen erfüllt war. Dort wurde der Großvater Simon Löb Herzl geboren, der an seinen Sohn Jakob und seinen Enkelsohn Theodor die zionistischen Ideen weitergab. Am 14. April 1835 wurde der Vater Jakob geboren, der als Fünfzehnjähriger in das Geschäft eines Verwandten nach Debrecen in Ungarn kam.
Die Eltern
In Debrecen wurde Jakob Herzl Kaufmann und erlernte die ungarische Sprache. Im Jahre 1856 ließ er sich in Pest nieder, das 1872 zu Budapest vereinigt wurde. Hier lernte er Jeanette Diamant kennen, die er 1858 heiratete. Die Vorfahren der Mutter wohnten schon länger in Budapest. Jeanette Herzl war die Mutter von Theodor Herzl, der am 2. Mai 1860 in Budapest als Benjamin Zeev Herzl geboren wurde, aber in der Öffentlichkeit Theodor hieß und im Ungarischen Tivadar gerufen wurde.
Die Kindheit
Nach dem hebräischen Kalender fiel der Geburtstag von Theodor Herzl auf den 10. Ijar 5620, nach dem bürgerlichen Kalender war es der 2. Mai 1860. Als seine einzige Schwester wurde Pauline 1859 geboren. Sein Vater Jakob Herzl war in Budapest ein angesehener und vermögender Mann geworden und konnte seinen beiden Kindern die beste Schulbildung gewähren. Die um ein Jahr ältere Schwester Pauline war dem Bruder Theodor von frühester Kindheit an Kameradin und Spielgefährtin. Mit ihr wuchs er auf, machte mit ihr die Schularbeiten, las und lernte vieles mit ihr auswendig. Er war ein stilles, intelligentes und nachdenkliches jüdisches Kind.
Bar Mizwa
Das väterliche Haus lag neben der großen Synagoge, die zwei Türme hatte, die 44 Meter hoch waren. Von Kind an besuchte er am Sabbath und an den Feiertagen mit seinem Vater diese Synagoge. In seinem Elternhaus hielt man sich an die jüdischen Gebräuche. Das Passahfest wurde Jahr für Jahr in feierlicher Weise begangen. Im Alter von 13 Jahren feierte er mit der Familie und der jüdischen Gemeinde Bar Mizwa. Bei dieser Feier wird der jüdische Knabe zum Vorlesen der Thora aufgerufen und als Vollmitglied in die Synagoge aufgenommen. Die Eltern hatten alle Verwandten und Bekannten zu dieser Feier am 3. Mai 1873 eingeladen. In seiner Schlussansprache in der Synagoge dankte er den Eltern für die gute Erziehung und gelobte, immer dem Judentum treu zu bleiben.
Die Schulzeit
Theodor Herzl wuchs mehrsprachig auf. Deutsch sprach man zu Hause, Ungarisch in der Öffentlichkeit. Auf dem evangelischen Gymnasium wurde auch Latein und Griechisch gelehrt, Französisch war die Sprache der Gebildeten, auch lernte er Englisch. Diese Sprachen kamen ihm in der Arbeit des Zionismus später zugute, da er überall und mit jedermann in irgendeiner Sprache sprechen konnte. Da er sich für alle technischen Errungenschaften interessierte, schickten ihn die Eltern zuvor auf die Realschule. Dort herrschte ein starker Antisemitismus, sodass er diese Schule 1875 wieder verließ und bis zum Abitur das evangelische Gymnasium besuchte, das von der Judenhetze frei war.
So wuchs Theodor Herzl als Budapester auf. Durch das Vermögen seines Vaters war er finanziell unabhängig. Der frühe Tod seiner einzigen Schwester schmerzte ihn aber sehr. Im Februar 1878 erkrankte sie an Typhus und starb einige Tage später. Sie war zu dieser Zeit erst 19 Jahre alt. Im Andenken an sie nannte er seine älteste Tochter ebenfalls Pauline. Auch die Eltern litten schwer unter dem Tod ihrer Tochter. Alles erinnerte sie an Pauline. So verließen sie im Jahre 1878 Budapest und zogen nach Wien. Noch im gleichen Jahr nahm er in Wien sein Studium auf.
Studienjahre in Wien
In Wien studierte Theodor Herzl Rechtswissenschaft. Nach sechs Jahren schloss er mit den beiden juristischen Staatsexamen ab. Zum Dr. jur. promovierte er im Mai 1884. Nebenbei hörte er noch andere Vorlesungen, die seinen technischen Neigungen entsprachen. Schnell lebte er sich in der Weltstadt Wien ein, der Hauptstadt der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, dem Zentrum der Musik, des Theaters, der Schauspielkunst und der Schriftsteller. Da die musische Seite in seinem Leben überwog, machte er einen alten Traum wahr und wurde Schriftsteller. Nur in der Zeit vom 4. August 1884 bis zum 5. August 1885 war er als Jurist tätig.
Der Ehestand
In Wien wurde Theodor Herzl auch mit der Familie Naschauer bekannt. Jacob Naschauer war aus Böhmen nach Wien gekommen und hatte es als Großindustrieller zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht. Er hatte vier Töchter, die jüngste hieß Julie, und war am 1. Februar 1868 in Budapest geboren worden. Da nun Herzl durch die Schriftstellerei finanziell gesichert war, wagte er es, um die Hand von Julie anzuhalten. Am 25. Juni 1889 fand die Hochzeit im Beisein aller Verwandten und Bekannten im Kurort Reichenau statt.
Die Kinder
Ehepaar Theodor und Julie Herzl wurden drei Kinder geboren. Am 29. März 1890 kam die älteste Tochter Pauline zur Welt und am 10. Juni 1891 sein Sohn Hans. Später kam noch das dritte Kind hinzu, seine Tochter Gertrud, die aber nur Trude genannt wurde. Sie hatte in Wien geheiratet und lebte bis 1942 dort, bis sie im September von den Nazis in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt und dort im Jahre 1943 ermordet wurde. Pauline und Hans sind früh gestorben. Das ist oft so, dass große Männer unbekannte Kinder haben und berühmte Söhne unbekannte Väter (siehe auch Nr. 144, S. 9-12).
Korrespondent in Paris
Am 2. Oktober 1891 erhielt Theodor Herzl die telegraphische Anfrage, ob er dazu bereit sei, sofort als Korrespondent der »Neuen Freien Presse« nach Paris zu gehen. Er gab seine Zustimmung, da diese Zeitung durch die schnelle Berichterstattung und durch das hohe Niveau die meist gelesene Zeitung in der österreichisch-ungarischen Monarchie war. Nach dieser Berufung gab er die Schriftstellerei endgültig auf und reifte zum scharfsinnigen Journalisten heran. Das hat ihm in der Zionistischen Bewegung zu großem Vorteil gereicht. Im November kam auch seine Frau mit den Kindern nach Paris. In Paris erlebte Herzl »La belle epoque«, die schöne Epoche, in der die Menschen in Saus und Braus lebten, aber gleichzeitig sehr antisemitisch waren. Als Korrespondent erlebte er den Dreyfusprozess mit und musste darüber an seine Zeitung berichten. Auch konnten die Franzosen die Niederlage gegen die Deutschen im Krieg 1870/71 nicht verkraften und dass am 18. Januar 1871 der preußische König Wilhelm I. im Schloss von Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert wurde. Das muss beim Prozess gegen Alfred Dreyfus berücksichtigt werden.
Der Dreyfusprozess
Durch den Dreyfusprozess wurde er mit dem Antisemitismus konfrontiert. Da wir bereits über den Dreyfusprozess in Ausgabe Nr. 126, S. 9-12 berichteten, sei hier nur kurz daran erinnert, dass Alfred Dreyfus ein französischer Hauptmann jüdischen Blutes im Generalstab in Paris war. Da er aus dem Elsass stammte, sprach er fließend deutsch und französisch. Er wurde angeklagt, für den Erbfeind Deutschland Spionage getrieben zu haben und wurde dafür am 22. Dezember 1894 zu einer lebenslangen Haftstrafe auf die Teufelsinsel Cayenne vor Südamerika verurteilt. Erst 1906 wurde Dreyfus rehabilitiert.
Durch diesen Prozess brach der Antisemitismus in Europa ganz neu auf. Bei der Verurteilung von Hauptmann Dreyfus riefen die Franzosen: »Tod den Juden!« Das erschütterte Herzl zutiefst und machte einen anderen Menschen aus ihm. Auch bewegte ihn die Äußerung, die Dreyfus am 27. Dezember 1894 einem wachhabenden Unteroffizier gegenüber machte: »Man verfolgt mich, weil ich Jude bin!« 
Da Herzl als Journalist für seine Zeitung berichtete, musste er all das innerlich verarbeiten. »Der Dreyfusprozess hat mich zum Zionisten gemacht!«, sagte er später. Das Jahr 1895 war ein Jahr des völligen Umbruchs für ihn. Er schrieb alle seine Gedanken zu diesem Thema nieder, die er dann bis zum 14. Februar 1896 zu dem Buch »Der Judenstaat« zusammenfasste.
Was die Franzosen mit Alfred Dreyfus gemacht hatten, konnte man zu jeder Zeit mit allen anderen Juden auch tun. Darum rief Herzl die Juden auf, zurück in die alte Heimat zu ziehen und einen Staat zu gründen, den »Judenstaat«. Bis zu seinem frühen Tode arbeitete er an diesem Ziel, den Staat Israel zu gründen.
Der erste Zionisten-Kongress
Vom 29. bis 31. August 1897 rief Herzl die Juden der Welt zum ersten Zionisten-Kongress nach Basel zusammen. Dort rief er ihnen zu: »Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen!« Ständig war er unterwegs, um die Juden zur Rückkehr zu bewegen. Leider erlebte er sehr viel Ablehnung, besonders von den Juden, die sich zu sehr in ihren Gastländern eingelebt hatten und nicht an eine Rückkehr nach Palästina dachten. Viele Persönlichkeiten aus der nichtjüdischen Welt konnte er für die Sache des Zionismus gewinnen. Auch der evangelische Hofprediger William Henry Hechler aus Wien wurde sein guter Freund und Mitstreiter.
Die letzten zehn Jahre
Bereits im März 1896 hatte der Arzt bei Herzl einen Herzfehler festgestellt. Da er fühlte, dass er früh sterben würde, hatte er im Februar sein Testament aufgesetzt. Seinen Freund David Wolffsohn setzte er als Testamentsvollstrecker und Vormund seiner unmündigen Kinder ein. Trotz der Herzschwäche arbeitete er aber weiter. Im Oktober 1898 reiste er nach Palästina, um den deutschen Kaiser zu treffen, der nach Jerusalem kam (siehe Nr. 124, S. 7-10). Im Jahre 1902 erschien sein Buch »Altneuland«, in dem er die Rückkehr nach Israel beschrieb. Fünfmal fuhr er zum türkischen Sultan nach Konstantinopel, besuchte den Papst in Rom, den König von Italien, den Großherzog von Baden und verhandelte mit vielen anderen Regierungsvertretern über den Judenstaat. 
Dabei übernahm er sich völlig. Am 6. Mai 1904 schrieb er an seinen Freund David Wolffsohn: »Macht keine Dummheiten, während ich tot bin. Herzlich grüßt Dein zu Schanden gearbeiteter Benjamin.« Er wollte schreiben »wenn ich fort bin«, und verschrieb sich »wenn ich tot bin«. Seinem Freund William Henry Hechler sagte er einen Tag vor seinem Tode: »Grüßen Sie alle von mir und sagen Sie ihnen, dass ich mein Herzblut für mein Volk gegeben habe.«
Der frühe Tod Theodor Herzls
Am Sonntag, dem 3. Juli 1904 um 17.00 Uhr, tat er im Kurort Edlach den letzten Atemzug. Seine Frau, seine Kinder, seine Mutter und seine besten Freunde waren nach Edlach gekommen. Ein Schock ging durch die jüdische Welt: Theodor Herzl ist tot! Zur Beerdigung am 7. Juli in Wien folgten über 6000 Trauergäste seinem Sarg. Seine Frau, seine Mutter und die beiden Mädchen fuhren in der Kutsche, sein Sohn Hans ging zwischen David Wolffsohn und Moritz Reichenfeld hinter dem Sarg her. Als der Sarg in die Gruft gesenkt wurde, betete Wolffsohn in hebräisch das Treuegelöbnis Herzls, mit dem er den sechsten Zionisten-Kongress abgeschlossen hatte:
»Wenn ich dein vergesse, Jerusalem, verdorre meine Rechte!« (Ps. 137,5).
Als sein Sohn Hans mit kindlicher Stimme das Kadischgebet betete, ging ein Weinen und Schluchzen durch die Trauergäste. Sie empfanden es so, als ob ihr Vater gestorben wäre. Nach der Bestimmung in seinem Testament wurden seine Gebeine und die seiner Angehörigen im August 1949 nach Jerusalem überführt und auf dem Herzlberg neu beigesetzt. 
(Evangeliumsmission 194/2004)

 

Quelle: Unbekannt
© Alle Rechte vorbehalten