Tatmotiv: Einsamkeit

Irgendwo im Ruhrgebiet erwischte die Polizei einen jungen Mann, der gerade den Telefonautomaten in einem Telefonhäuschen zerstört hatte. Auf der Wache fragte ihn ein väterlicher Polizeibeamter: »Warum hast du das eigentlich getan?«
Die Antwort war ausgesprochen erschütternd: »Ich bin stundenlang die Straße rauf und runter gegangen, um irgendeinen Kumpel zu treffen, mit dem ich mich unterhalten konnte, aber ich habe keinen getroffen. Da kam ich immer wieder am Telefonhäuschen mit dem Reklamespruch "Ruf doch mal an" vorbei. Aber mich ruft nie einer an, und ich kenne keinen, den ich anrufen kann. Da habe ich eine Wut bekommen und den Hörer aus dem Apparat gerissen.«
Gewiss, eine böse Tat, denn ein Telefon kann helfen, Leben zu retten. Aber nach diesem Bericht sah die Tat doch etwas anders aus. Viele Menschen gehen ihren Weg in stiller Verzweiflung, und wir wissen und ahnen es nicht. Gerade junge Leute in den großen Städten fühlen sich oft sehr allein. Christen sollten ihre »Antennen ausfahren« und buchstäblich aufmerksam leben. Schon ein freundlicher Gruß oder eine kurze Anrede können Menschen in ihrer Einsamkeit erreichen.
Neukirchener Kalender 1989

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1950
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