Sie hat ihr das Herz gebrochen
Emilie war kein besonders böses Kind, im Gegenteil, sie war freundlich und fröhlich, ein nettes Kind, wie die Leute sagten. Sie zog sich hübsch an, und das kostete natürlich Geld, aber die Mutter gab das Geld, wenn Emilie sie bat, und wollte sie es einmal nicht tun, dann klagte, maulte oder weinte Emilie, bis sie es doch tat. Aber um Geld zu schaffen, musste die Mutter viel arbeiten. Manchmal stand sie noch nach Mitternacht am Plättisch. Emilie beachtete das nicht; wenn sie abends aus dem Geschäft kam, dann war sie entweder so müde, dass sie früh zu Bett musste, oder sie hatte Freundinnen, die sie abholten zu allerlei Vergnügungen, bei denen sie ihre hübschen Kleider anzog.
Die Mutter war niemals sehr kräftig gewesen, aber jetzt sah sie oft erschreckend weiß aus, ihr Rücken war krumm geworden, und dann wurde sie krank und musste die fleißigen Hände ruhen lassen. "Ich kann nicht mehr", hauchte sie. Nein, sie konnte nichts mehr tun für ihr kaltherziges Kind. "Sie hat ihr das Herz gebrochen", so ging es flüsternd von Mund zu Mund, als man die Mutter zum Kirchhof hinaustrug.
Ja, man kann Herzen brechen. Und - wehe dem, der das tut! "Du sollst nicht töten", spricht der Herr, dein Gott.
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