Seltene Treue in der Liebe
Frau D. hatte sich vor dem Kriege verlobt. Im zweiten Kriegsjahr wurde ihr Verlobter eingezogen. Eines Tages kommt die Nachricht, dass er schwerverwundet im Lazarett liege. Niemand gab ihr klaren Bericht über seine Verwundung. Nach langen Wochen konnte sie ihn im Heimatlazarett besuchen und erfuhr, dass er beide Hände mit den Unterarmen und ein Bein verloren hätte. "Der Mann weinte wie ein Kind, als er sie sah. Selbstverständlich erschien es ihm, dass nun sein Lebensglück zerstört, an eine Ehe nicht mehr zu denken sei. Für sie aber gab es kein Überlegen. Ihrer Liebe war es sofort klar: "Nun erst recht gehörst du zu ihm."
Auf die Frage, wann er aus dem Lazarett entlassen werde, antwortete der Arzt: "In 14 Tagen, wenn zu Hause für eine fachgemäße Pflege gesorgt werden kann."
"An der Pflege wird es nicht fehlen. Wir heiraten eben - dann ist für alles gesorgt."
"Meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem tapferen Entschluss." Großes Staunen stand in den Augen des Arztes. "Haben sie Kinder?"
"Wieso denn - wenn wir doch erst heiraten wollen?" Sagte das Mädchen.
"Verzeihen sie - das ist doch jetzt bei den Kriegsverhältnissen keine Seltenheit..." Nun konnte er es gar nicht mehr begreifen. Dass es solche Frauen wirklich noch gab, jetzt im vierten Kriegsjahr - neben all den vielen anderen, - Frauen, die ganz frei sind und einen solchen Krüppel heiraten, nur weil sie ihm verlobt sind und ihn lieb haben? - Damals bestürmten alle das Mädchen, von dieser unsinnigen Heirat abzustehen. Was ohne sie aus dem Mann werden sollte, daran dachte niemand. Doch sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
"Ob ich glücklich werde oder unglücklich, ist meine eigene Angelegenheit, und es hat ein jeder das Recht, nach seiner Überzeugung zu handeln." Damit fertigte sie alle ab.
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