Selig sind die Sanftmütigen

Auf einer seiner Wanderungen hatte Nielsen Hauge, der Erwecker Norwegens, in einem Hof ein Nachtquartier versprochen bekommen. Im Lauf des Abends kam der Schullehrer des Ortes, der von Hauges Anwesenheit gehört hatte, und verspottete ihn auf jede nur erdenkliche Weise. Auch als er Schimpfworte und Flüche gegen ihn hervorstieß, antwortete Hauge fast nichts. Schließlich erklärte er ruhig und beherrscht, dass das Wort Gottes solches Verhalten nicht lehre. Da fuhr der Schullehrer auf ihn los und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Hauge stieg das Blut in den Kopf. Er richtete sich auf, breitschultrig und mit einem seltsamen Feuer in den Augen stand der starke Bauernbursche da. Doch sofort war er wieder Herr seiner selbst. Als er ganz ruhig sagte: "Das solltest du nicht machen", riss der Lehrer die Tür auf und schrie ihn an, die Hand zur Faust geballt: "Hinaus mit dir!" "Ich habe auch Fäuste", sagte Hauge, "aber ich gebrauche sie nicht dazu, meine Brüder zu schlagen." "Hinaus", schrie der Schulmeister. "Ja, ich werde gehen - es ist gut, dass ich für die beten kann, die mich überfallen und verfolgen." 
Da geschah etwas Merkwürdiges: Der Schullehrer, von so viel Güte überwunden, brach plötzlich in Tränen aus: "Ach, Gott helfe mir!" In die Dunkelheit hinaus rief er Hauge nach: "Kannst du mir verzeihen?" "Ja! Gott vergibt uns allen!" Klang die Antwort von draußen. "Geh nicht!" rief der Lehrer ihm nach. "Doch, es muss sein", erklang es schon aus der Ferne...

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1976
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