Selbst ein Napoleon ließ sich erbitten

Als Napoleon I. sich zum Alleinherrscher von Frankreich gemacht hatte (im Jahre 1799 als Konsul, 1804 als Kaiser), wurde sein Leben von vielen Verschwörungen und Attentaten bedroht. Unter den entdeckten und zum Tode verurteilten Verschwörern befand sich auch der alte Lojolia. Sein vierzehnjähriges Töchterchen ging zum kaiserlichen Palaste. Ihre Tränen und Bitten erweichten das Herz des gutmütigen Pförtners, er ließ das Kind hineinschlüpfen. Sie gelangte in die Halle, durch die Napoleon mit seinen Offizieren musste. Als er kam, warf sie sich ihm zu Füßen und flehte in herzbewegender Weise: "Gnade, Gnade für meinen Vater!" 
"Wer ist denn ihr Vater und wer sind Sie?" 
"Mein Name ist Lojolia!" Unter strömenden Tränen fügte sie hinzu: "Ach, mein Vater ist zum Tode verurteilt!" 
"Ja, mein Kind", versetzte darauf Napoleon, "da kann ich leider nichts für Sie tun. Schon zum zweiten Male ist Ihr Vater des Verrates am Vaterlande angeklagt und schuldig befunden." 
"Oh, ich weiß es wohl", rief das arme Mädchen, "allein ich bitte ja nicht um Gerechtigkeit, ich flehe ja um Gnade! Vergeben Sie meinem Vater! Oh, ich bitte Sie inständig, vergeben Sie ihm!" 
Napoleons Lippen zuckten; nach einem kurzen, inneren Kampfe nahm er die Hand des Kindes und sagte: "Es sei! Um Ihretwillen, liebes Kind, soll Ihrem Vater Gnade werden." Sieh da, dieser sonst so harte, herzlose Mann vermochte nicht "nein" zu sagen  und du denkst, Jesus vermöchte "nein" zu sagen zu dem, der flehend kommt und Gnade sucht? 

Quelle: Der ewig reiche Gott, Dietrich Witt, Beispiel 892
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