Picasso zeigte eine starke Neigung zum Aberglauben

Picasso zeigte eine starke Neigung zum Aberglauben. Francoise Gilot, seine zeitweilige Lebensgefährtin, war völlig überrascht, als sie das eines Tages feststellte:
"Wenn ich seinen Hut auf das Bett warf, wie ich es oft tat, bedeutete das, jemand in diesem Hause würde sterben, bevor das Jahr zu Ende ging. Eines Tages, im Verlauf eines kleinen Scherzes, den wir miteinander trieben, einer Art Sketch, öffnete ich im Zimmer einen Schirm. Wir mussten, den dritten Finger jeder Hand über den Zeigefinger gekreuzt, im Zimmer umhergehen, dabei die Arme schwingen und ,Lagarto! Lagarto!' rufen, um das Unglück schnell zu verjagen, bevor es einen von uns erwischen konnte. - Ich durfte das Brot nie anders als mit der runden Seite nach oben auf den Tisch legen, wenn uns nicht ein Verhängnis überkommen sollte."
Mit den Riten des Aberglaubens nahm Picasso es außerordentlich genau. Und, so meint Francoise Gilot, die spanischen Formen allein genügten ihm bald nicht mehr; er lernte noch viele russische hinzu, von seiner ersten Frau, Olga. Zum Beispiel diese: "Jedes Mal, wenn wir zu einem Ausflug aufbrachen, wie kurz er auch sein mochte, hatten wir eine russische Sitte zu befolgen, nach der sich alle Familienmitglieder in dem Raum niedersetzen müssen, von dem aus der Aufbruch erfolgen soll, und mindestens eine Minute lang kein Wort sprechen dürfen. Danach konnten wir unseren Ausflug in der absoluten Gewissheit antreten, dass uns nun nichts Schlimmes widerfahren würde."
Das ging natürlich, zumal mit den Kindern, nicht immer ganz einfach ab. "Wir machten dabei alle mit denkbar ernster Miene mit. Wenn eines der Kinder lachte oder sprach, bevor die Zeit abgelaufen war, mussten wir von vorn anfangen; andernfalls hätte er sich strikt geweigert, das Haus zu verlassen."
Picasso tat zwar so, als glaube er in Wahrheit gar nicht an die Wirkung solcher Riten, und er sagte: "Oh, ich tue das nur des Spaßes halber. Ich weiß, es hat nichts zu bedeuten." Er fügte jedoch hinzu: "Aber schließlich..." Was soviel heißen sollte wie: Man kann nie wissen, ob und wozu etwas gut ist.
Aus diesem Grunde störte es ihn, dass die Verwandten von Francoise zwar für sie, nicht aber für ihn beteten. In seinem oft wehleidigen Egoismus klagte er: "Sie sollten auch für mich beten. Es ist nicht nett, mich auszulassen." Auf den Einwand, es könne ihm doch gar nichts ausmachen, ob jemand für ihn bete oder nicht, da er ja ohnehin nicht gläubig sei, erwiderte er: "Oh, es macht mir eben schon etwas aus. Ich möchte, dass sie für mich beten. Menschen dieser Art glauben an etwas, und ihre Gebete richten sicher etwas aus. Es gibt also keinen Grund, weshalb ich davon nicht auch einen Nutzen haben sollte."

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 803
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