Pastor W. Busch hat einen Vogel
Pastor W. Busch erzählt: Zwei Männer standen am Straßenrand, offenbar Bergleute, wie man an den blauen Narben in ihren Gesichtern sehen konnte.
Als ich vorbeiging, grüßte der eine: "'n Tag, Herr Pastor!"
Ich trat auf ihn zu: "Kennen wir uns?"
Er lachte: "Na klar! Habe Sie oft sprechen hören." Und nun wandte er sich an den anderen: "Das ist also der Jugendpfarrer! Ein ganz ordentlicher Mann! Nur - er hat leider einen Vogel!"
Ich denke, meine Leser kennen diesen Ausdruck. Die Engländer sagen "Spleen"; die Schwaben erklären: "Der hat einen Sparren!"; die Berliner nennen es einen "Tick" - und im Ruhrgebiet und in anderen Gegenden heißt man's einen "Vogel", wenn jemand an einer Stelle nicht ganz zurechnungsfähig ist.
Als der Mann das nun so gelassen erklärte, ging's mir doch gegen die Ehre, obwohl man als Pfarrer im Ruhrgebiet "hart im Nehmen" wird. Also fuhr ich empört auf: "Was habe ich? Einen Vogel?"
Aber der Bergmann beachtete meinen Einspruch gar nicht, sondern wiederholte ganz gemächlich: "Also - ein ordentlicher Mann - nur eben - er hat 'nen Vogel. Er spricht immer von Jesus."
"Mann!", rief ich erfreut. "Was Sie da sagen, das ist für mich, als wenn Sie mir einen Orden verliehen hätten! Ja, den Ruhm möchte ich haben: Er spricht immer von Jesus! Nur - leider - habe ich diesen Orden gar nicht verdient. Wie oft habe ich dummes Zeug geschwatzt. Aber - wissen Sie! Jesus ist es tatsächlich wert, dass man immer von ihm spricht. Sagen Sie mir: Kennen Sie Jesus?" Da wandte sich der Bergmann lachend an den anderen: "Siehst du, nun fängt er schon wieder an!"
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