Niemals Gott gegen seinen Willen zwingen!

D. Riemer, Direktor des Wittenberger Predigerseminars, erzählt: Als junger Pastor war ich in ein hinterpommersches Dorf versetzt worden. Unter den prächtigen Kirchenältesten hatte ich einen, zu dem ich besonderes Vertrauen fasste. Bei einer schwierigen Angelegenheit sagte ich deshalb dem Kirchendiener: "Das muss ich mit dem alten S. besprechen."
Ganz erstaunt erwiderte dieser: "Mit dem alten S.? Ach, der ist doch gar nicht alt! Den haben seine zwei Söhne alt gemacht." Herr S. hatte jung den schönsten Hof im Dorf übernommen und jung gefreit. Bald bekam er zwei gesunde Jungen, seine ganze Freude. Als die Jungen etwa drei und vier Jahre alt waren, erfasste die Diphtherie auch sie wie die meisten Kinder im Dorf. Der Arzt sagte eines Abends offen den Eltern: "Es besteht keine Hoffnung mehr. Diese Nacht werden Ihre Kinder sterben." Der Vater hatte immer gebetet. Er betete auch in jener Nacht. Oft rief er: "Du musst mir meine Jungen lassen  -  du musst mir meine Jungen lassen!" Stunde um Stunde betete er  -  und die Jungen blieben leben. Als der Arzt am anderen Vormittag kam, um den Totenschein zu schreiben, fand er die Veränderung vor. Völlig erstaunt meinte er: "Hier ist ein Wunder geschehen." Die Jungen blieben leben; aber Freude hatte der Vater nicht an ihnen. Der eine wurde später als Mörder enthauptet. Der andere machte böse Geldgeschichten, wobei der Vater oft hohe Summen bezahlte, um den Schaden zu decken. Zuletzt kam dieser Sohn wegen Wechselfälschungen und böser Betrügereien in das Gollnower Zuchthaus.
All unser Beten hat seine Grenze an Gottes Willen. Bete niemals in der Absicht, Gott zu zwingen und deinen Willen bei Gott durchzusetzen. Trage Gott deine Anliegen getrost und mit aller Zuversicht vor, wie ein liebes Kind seinen Vater bittet. Aber traue dem Vater in solcher Liebe auch zu, dass sein Wille gut und seine Wege mit dir recht sind.

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 343
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