Nicht schuldig!
C. H. Spurgeon:
Ich habe von einer Frau gehört, welche sich als eine Sünderin bekannte. Ihr Prediger war überzeugt, dass sie nicht wisse, was sie damit meine und legte ihr ihre Blindheit bloß. Er sagte zu ihr: "Nun, wenn Sie eine Sünderin sind, so haben Sie natürlich das Gesetz gebrochen, Lassen Sie uns die zehn Gebote lesen und sehen, welches Sie davon gebrochen haben." Er nahm die Bibel und find an zu lesen: "Du sollst keine andern Götter neben mir haben." "Haben Sie dieses Gebot übertreten?" "O nicht, dass ich es wüsste." Er fuhr fort: "Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen". "Haben Sie dieses gebrochen?" "Niemals, mein Herr!" Ferner: "Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Wie steht es damit?"
"O, ich wüsste nicht, dass ich das jemals getan hätte." "Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest." "O", sagte sie, "am Sonntag tue ich nie etwas. Jedermann kann mir bezeugen, dass ich in diesem Punkte sehr sorgfältig bei." "Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren." Nun, hierin war sie sogar vollkommen gewesen; man könne ihre Freunde fragen, ob das nicht wahr sei. - "Du sollst nicht töten." Jemand totschlagen? Sie wunderte sich, wie der Prediger sie nur danach fragen könne. Natürlich und ganz selbstredend musste "Du sollst nicht ehebrechen" ohne weitere Frage übergangen werden. Und gestohlen - nein; es hatte ihr ganz fern gelegen, sich jemals an fremdem Eigentum zu vergreifen. "Du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten." Nun, welche Schwätzerin sie auch sein mochte - sie verwahrte sich dagegen, dass sie jemals jemand in den Rücken gebissen habe und was die Idee des Begehrens betraf, nun, so mochte sie wohl zuweilen gewünscht haben, ein klein wenig mehr zu haben und etwas besser zu stehen; aber sicher hatte sie nie die Güter eines andern begehrt; sie hätte nur gern ihr eignes etwas vermehrt gesehen. So zeigte sich denn wie der Prediger vermutete, dass sie nach ihrem Dafürhalten überhaupt keine Sünderin war. Es ist wunderbar, wie Leute, welche in ein allgemeines Sündenbekenntnis mit einstimmen, es doch versuchen, sich von jeder und jeglichen besonderen Übertretung frei zu sprechen. Welche Anschuldigung auch wider sie erhoben werden mag - sie behaupten: "Nicht schuldig!"
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