Nehmen Sie lieber einen Anstreicher!

Eine Gräfin suchte einen Erzieher für ihren sechsjährigen Sohn. Man empfahl ihr den später berühmt gewordenen Dichter Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769). Er ist uns bekannt durch seinen Choral: "Jesus lebt, mit ihm auch ich!" Die Mutter ließ den jungen Gelehrten zu sich kommen und sagte: "Machen Sie aber aus meinem Sohn keinen gelehrten Pedanten, ich verlange nichts als einen leichten Anstrich von Sprachen, Geographie, Geschichte, Mathematik und Chemie. Und machen Sie aus meinem Sohn um Himmels willen keinen ständig betenden Christen. Es genügt mir vollkommen, wenn mein Sohn die Zehn Gebote und den Katechismus lernt und sonntags zur Kirche geht. Ich verlange von allem nur den richtigen Anstrich!" 
Gellert hörte sich in aller Geduld die Wünsche seiner möglichen Brotgeberin an. Nach einer kurzen Pause des Nachdenkens sagte er: "Wenn das Ihr Vorhaben ist, Gräfin, dann darf ich untertänigst raten: Nehmen Sie lieber einen Anstreicher!" 
Gellert verneigte sich kurz und ging.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 820
© Alle Rechte vorbehalten