Mutterdenken
Vor einiger Zeit wurde ich des Nachts zu einer armen Bergmannsfrau gerufen, die plötzlich schwer erkrankt war. Eine kurze Untersuchung sagte mir, dass hier nur ein schneller Eingriff das Leben retten könne. Wird es gelingen, die Mutter von sechs kleinen Kindern am Leben zu erhalten? Leider musste sie die schmerzvolle Operation mit vollen Sinnen ertragen, da wir nicht einmal Zeit hatten, sie zu betäuben. Wird sie wohl jammern und schreien? Aber siehe da, während ich meine schwere Arbeit verrichtete, lag die Kranke still, ohne einen Schmerzenslaut von sich zu geben. Als die Operation beendet war, lobte ich die Frau mit lauter Stimme wegen ihres tapferen Verhaltens. Sie aber legte die Finger auf ihre Lippen und sagte:
"Ach, Herr Doktor, sprechen sie doch nicht so laut. Sie wecken mir ja die Kinder, die nebenan schlafen."
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