Muss ich das wissen?

Dettinger hat er, glaube ich, geheißen. Es ist lange her, aber wenn man wieder einmal in alten Erinnerungen kramt, kommt auch der Dettinger zum Vorschein. Was ihn unvergesslich machte, das war eine Redensart, die er wie eine Schutzhülle um sich wickelte, als würde es regnen. Wenn einer seiner Kollegen zu ihm ging, etwas zu erzählen, ihn auch dann und wann etwas Ungebührliches zu fragen, dann legte Dettinger den Federhalter für einen Augenblick ab, schob die Brille nach vorn und fragte über den Rand der Gläser hinweg: "Muss ich das wissen?"
Dettingers originelle Frage war sicher ein "Nicht-Einmischungspakt" mit seiner Umgebung, den zu halten auch uns wohl anstünde. Jeder Menschenkreis hat das Bedürfnis, Dinge weiterzusagen, die man füglich als Durchschnittsware des Gesprächsstoffs bezeichnen darf und für die Dettingers Frage "Muss ich das wissen?" den einzig richtigen Grenzzaun setzen würde. Wir leben leider alle bis zu einem gewissen Grade von den "Gesellschaftsnachrichten", und selbst eine christliche Gemeinde kann derart von der Säure angefressen sein, dass schwerlich ein echtes Leben im Wort Gottes aufkommen kann, weil alles durchtränkt ist von der Spannung: "Wissen Sie schon...?" Dettingers Gegenfrage würde lauten: "Muss ich das wissen?" und es wäre sehr zu hoffen, dass zu vielen Dingen, die der Sache Gottes nicht nützen, wenn man sie weiter tratscht, die christliche Liebe ihr zurückhaltendes Nein sagen würde.
(Ferdinand Sigg, 1902-1965)

Quelle: In Bildern reden, Heinz Schäfer, Beispiel 1265
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