Mehr als hundert Predigten
...von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen (loh. 7,38).
Der alte Pastor Traugott Hahn erzählt: "Meine Frau hat zwölf Jahre lang, von der Gicht gelähmt, auf dem Rollstuhl gesessen, mit Wunden am Körper und unsagbaren Schmerzen. Sie hätte gern gewirkt. Sie war ein energischer, praktisch begabter Mensch. Sie hätte in der Gemeinde viel leisten können. Nun saß sie, leiblich ganz gebrochen, auf ihrem Rollstuhl. Eins hatte Gott ihr aber gegeben: dass sie unter den eigenen Leiden ein Herz behielt für die Leiden aller Menschen um sie her, von klein und groß, reich und arm, so dass sie über alles Leid in der ganzen Gemeinde Bescheid wusste. Und die Leidenden und Traurigen aus der Gemeinde versammelten sich um ihren Rollstuhl, weil sie spürten: hier ist ein Mensch, der im tiefsten Leiden selbst von Gott die Kraft empfängt und darum die Kraft hat, nicht nur das eigene Leiden zu tragen, sondern auch mit anderen mitzutragen und für andere zu beten. Da begegnete mir eines Tages ein Mann aus meiner Gemeinde auf der Straße, grüßte mich, hielt mich an und sagte, offenbar sehr bewegt: "Herr Pastor, ich komme eben von Ihrer lieben Frau. Ich bin eine Viertelstunde bei ihr gewesen, und - Herr Pastor (das sagte er ganz kurz) - das ist mehr als hundert Predigten von Ihnen.'"
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