Macht des stillen Gebets

Ein chinesischer Christ berichtet über die Zeit der Kulturrevolution: Die Roten Garden beschlossen, das Freitagsgebet der Christen abzuhören. Der Prediger las Psalm 27: »Der Herr ist mein Licht und mein Heil.« Die Führerin der Roten Garden machte spöttische Bemerkungen. Ich schrie sie an: »Wenn du dich weiterhin so benimmst, können wir nicht fortfahren.« Sie hielt den Mund. Dann beteten wir. Ohne es abgesprochen zu haben, waren wir übereingekommen, dass wir im Angesicht eines Gegners in der Stille beteten. Die Feinde sollten den Namen des Herrn nicht unnützlich hören. Ich spürte persönlich die Anwesenheit des Heiligen Geistes. Und dann passierte es. Die Führerin hatte plötzlich einen hysterischen Anfall. Sie schrie: »Sag etwas, du Dummkopf! Sprich!« Wir beachteten sie nicht. Das hielt sie nicht länger aus. Sie trat gegen meinen Oberschenkel, ergriff mich am Kragen und zerrte mich hoch. Dann schrie sie mir ins Gesicht: »Sag etwas! Bete!« Ich fühlte mich merkwürdig ruhig. Behutsam wischte ich ihr die Tränen mit eigener Hand ab. Sie ließ es geschehen und ging mit ihren Genossen davon.
(Meyer)

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1813
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