Lieber tot als ungehorsam
Der römische Statthalter in Jerusalem hatte von Rom Anweisung erhalten, keine weitere Rücksicht zu nehmen auf Proteste, die das jüdische Volk mit Berufung auf sein geheiligtes Gesetz gegen die Aufstellung von Büsten des Cäsars in den Straßen von Jerusalem und gegen die göttliche Verehrung, die für diese Kaiserbilder gefordert wurde, erhoben hatte. Als nun der Statthalter angekündigt hatte, dass er dieses Gebot des römischen Cäsars am nächsten Tage öffentlich verkünden würde, strömte von weither die Landbevölkerung in die Stadt. Als der Statthalter auf der Ausführung des Befehls bestand, warf die ganze Volksmasse sich zu Boden und blieb fünf Tage und fünf Nächte mit dem Gesicht nach unten gekehrt unter ununterbrochenen Gebeten auf dem Platz liegen. Nach fünf Tagen erschien der Statthalter von neuem vor dem Volke, wiederholte sein Verlangen und befahl den Legionen, mit gezücktem Schwert gegen die Volksmassen vorzurücken. »Tötet uns alle«, rief das Volk, »tötet auch unsere Kinder und Frauen, wir wollen lieber sterben, als uns gegen das Gesetz unseres Gottes zu versündigen.« Dieser unerwartete und in der Weltgeschichte unerhörte Widerstand im Namen einer unsichtbaren Welt erschütterte den Römer derart, dass er seinen Befehl zurückzog und die Bilder des römischen Cäsars wieder entfernen ließ. Die Einhaltung des Gebotes war den gläubigen Juden wichtiger als das Leben.
(Flavius Josephus, 37/38-ungef. 100)
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