Lerne widerstehen
"Es ist einerlei, was der Junge lernt", sagte Vater Sturm, als er Karl nach seiner Konfirmation im Geschäft einführte, "wenn er nur zweierlei lernt: ehrlich sein und praktisch." Und der Vater fing seine Lehre auf der Stelle damit an, dass er den Sohn in das große Gewölbe unter die offenen Vorräte führte und zu ihm sagte: "Hier sind die Mandeln, und hier die Rosinen; diese in dem kleinen Faß schmecken am besten, koste einmal!"
"Sie schmecken gut, Vater", rief Karl vergnügt.
"Ich denk's", nickte der Vater. "sieh, aus allen diesen Fässern kannst du essen, soviel du willst, kein Mensch wird dir's wehren. Jetzt merke auf, mein Kleiner. Jetzt sollst du probieren, wie lange du vor diesen Tonnen stehen kannst, ohne hinzugreifen. Je länger du es aushältst, desto besser für dich. Wenn du's nicht mehr aushalten kannst, kommst du zu mir und sagst, es ist genug. Das ist kein Befehl für dich, es ist nur wegen dir selber und wegen der Ehre."
So ließ der Auflader den Knaben allein, nachdem er seine große dreischalige Uhr herausgezogen und auf eine Kiste neben ihn gelegt hatte. "Versuchs zuerst mit einer Stunde", sagte er im Weggehen, "geht's nicht, so schadet's auch nicht. Es wird schon werden."
Der Knabe steckte trotzig die Hände in die Hosentaschen und ging zwischen den Fässern auf und ab. Nach Verlauf von mehr als zwei Stunden kam er, die Uhr in der Hand, zum Vater heraus und rief: "Es ist genug!" "Zwei und eine halbe Stunde", sagte der alte Sturm vergnügt. "Jetzt ist's gut, Kleiner, jetzt brauchst du den übrigen Tag nicht mehr in das Gewölbe zu gehen. Komm her, du sollst diese Kiste zusammenschlagen; hier ist ein neuer Hammer für dich!" Karl genoß bald das Vertrauen aller Mitglieder der Handlung.
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