Leiden weckt Liebe

Die Fürstin Maria zu Erbach-Schönberg erzählt in ihren Lebenserinnerungen:

"Das rührendste und schönste Bindeglied zwischen uns allen war unser dritter Sohn Max. Geboren am 17. März 1878, musste er die Nottaufe erhalten und war nur ein Engelgast in unserem Hause bis zu seinem 14. Jahre, ein im Jenseits schlummerndes Geisteswesen, uns von Gott gesandt. So Engelschön wie dies Kind hatte ich bisher nur die auf Raffaels Bildern gesehen. Er hat nie gesprochen, nie uns erkannt, nie auf seinen Füßchen gestanden und vom zweiten Lebensjahre an nie mehr nach einem Spielzeug oder einem Stückchen Brot gelangt.

Die furchtbarsten  immer wiederkehrenden Krämpfe erschütterten seinen kleinen Körper, verzerrten sein süßes Kinderangesicht. Dazwischen konnte er stundenlang still und zufrieden mit seinen Händchen spielen und freudige Bewegungen machen, wenn er umhergefahren wurde, wenn wir in frohem Kreise mit den Kindern zusammensaßen, lesend oder Spiele machend, durfte der kranke Bruder nie dabei stehen. In seinem Rollstuhl wurde er dazu geholt, und wenn ein Anfall kam, blieben die Kinder still und furchtlos dabei. Fernstehende haben sich oft gewundert, dass wir dies zuließen, und dass wir das kranke Kind nicht absperrten oder versteckten. Gott sei Dank, dass wir dies nie taten, sondern das uns von Ihm gesandte Leid aus seiner Hand fraglos und klaglos hinnahmen in selbstverständlicher Demut. So wurde denn aus diesem Sorgenkinde mehr und mehr ein Segenskind, und die Liebe, die ihm geschenkt wurde, ergoß sich in tausendfältigen Strahlen zurück über unser inneres Leben und Wachstum, über uns und die Kinder und über alle Hausbewohner."

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1602
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