Kein Glaube ohne Vertrauen

Es kommt ja leider oft vor, dass sich Eltern und Kinder nicht gut verstehen. Stellen wir uns einmal ein Kind vor, das mit seinen Eltern überhaupt nicht klarkommt, das nie erlebt hat, was es bedeutet, seinen Eltern zu vertrauen. Eines Tages sagt es zu ihnen: »Seid ihr überhaupt meine Eltern? Ich glaube euch nicht! Ihr gebt euch nur als meine Eltern aus. Beweist mir erst einmal, dass ich euer Kind bin!«
Die Eltern kramen in ihren Papieren, und nach längerem Suchen haben sie die Geburtsurkunde entdeckt, auf der alles schwarz auf weiß steht. »Das ist doch kein Beweis!« sagt das Kind, »ihr könnt mich ja auch ausgewechselt haben. Hier steht zwar, dass ihr ein Kind habt. Aber ob ich dieses Kind bin, weiß ich noch lange nicht!«
Die Eltern reden noch von Blutgruppen und von dem Onkel, der alles bezeugen kann. Aber das Kind bleibt bei seiner Meinung: »Erst möchte ich einen wirklich stichhaltigen Beweis!«
»Ja«, sagen die Eltern, »einen absolut stichhaltigen Beweis können wir dir wohl nicht liefern!«
Ob sich in dem Verhältnis vom Kind zu seinen Eltern etwas ändern würde, wenn ein stichhaltiger Beweis vorhanden wäre? Bestimmt nicht! Es fehlt einfach das Vertrauen! Ohne gegenseitiges Vertrauen, ohne Achtung und Liebe kann sich das Verhältnis nicht ändern.
Es gibt Menschen, die sagen: »Wenn Gott mir durch einen Beweis zeigen würde, dass es ihn gibt, dann würde ich auch an ihn glauben!« Glaub diesen Menschen nicht: Ohne Vertrauen, ohne Achtung und Liebe würde kein Beweis etwas nützen. Es gibt nun einmal keinen Glauben ohne Vertrauen!
(Rainer Haak)

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1505
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