Kein Friede, solange Schuld nicht bereinigt

Dem bekannten Evangelisten Schrenk klagte eines Tages eine einfache Frau, dass sie trotz allen Betens und Kirchengehens keinen inneren Frieden finden könne. Schrenk fragte sie, ob sie vielleicht eine Schuld auf dem Gewissen habe. Da gestand sie denn Folgendes: Als Mädchen habe sie in einem vornehmen Haus gedient. Da sei eines Tages ein Gast in die Küche getreten, um sich die Hände zu waschen. Hierbei habe er einen wertvollen Ring ausgezogen und einstweilen zur Seite gelegt, hernach aber vergessen, ihn wieder anzustecken. Den habe sie sich als eitles Ding angeeignet, und darauf, als der Besucher beim Fortgehen seinen Ring wieder suchte, auch nicht herausgegeben. Der Gast äußerte nun den Verdacht, sie werde ihn wohl gestohlen haben. Dafür habe sie ihn aber verklagt, und da er seine Anschuldigung nicht beweisen konnte, sei er vom Gericht wegen "böswilliger Verdächtigung" noch gestraft worden. Diese Sache drücke sie nun seit Jahren in furchtbarer Weise und raube ihr alle innere Ruhe. "Ja, da müsse sie eben den Ring wieder seinem Eigentümer zustellen und ihn um Verzeihung bitten", sagte ihr Schrenk. Das war natürlich höchst schmerzlich für die Frau; doch sie befolgte den Rat, und damit wich auch der Bann von ihrer Seele.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 217
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