Kein Fluch liegt schwerer auf mir als der Segen jenes Predigers

Im 18. Jahrhundert, als Dänemark und Schweden miteinander kriegten, lag der Schwede vor der Stadt Altona und drohte sie niederzubrennen. Das Unglück abzuwenden, ging der Pfarrer Johann Sasse mit einigen Bürgern hinaus zu dem schwedischen General Steenbock. "Habt Erbarmen mit der unschuldigen Stadt um der Wunden Jesu willen!" Der Schwede stieß ihn zurück. Der Pfarrer wollte sich nicht abweisen lassen, sondern suchte auf alle mögliche Weise das Herz des Generals zu gewinnen. "Bei Gott", rief dieser aus, "ich handle auf höheren Befehl!" - "Nun, wenn es das ist", antwortete der Pfarrer, "wenn Sie wirklich auf höheren Befehl eine arme Stadt abbrennen müssen und unschuldig sind an der grausigen Tat, so wagen Sie es und nehmen Sie jetzt den Segen des Herrn, der einst Richter zwischen uns sein wird, zu derselben hin: Der Herr segne dich und behüte dich, der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir seinen Frieden! Amen."
Von dieser Stunde an gingen Glück und Stern für ihn unter, und als er eines Tages mit seiner ganzen Armee die Waffen strecken und sich den Dänen ergeben musste, bekannte er einem Geistlichen: "Ich habe wohl manchen Fluch mitgenommen von denen, gegen die ich Krieg geführt habe, aber keiner von allen liegt so schwer auf meiner Seele wie jener Segen des Predigers von Altona. Der wird im Todeskampf mich noch foltern." - Das Wort schneidet schärfer als jedes Messer und jedes Schwert. Das Wort "anatomiert" den Menschen. Es scheidet Materielles und Geistiges in ihm, Seelisches und Geistliches, Recht und Unrecht, Wahrheit und Lüge, Egoismus und Liebe. Das Wort allein trifft den wunden Punkt, wie bei General Steenbock. Es ist der große unfehlbare "Anatom" in jedem Menschenleben.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 555
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