Kann Gott sich sowas gefallen lassen?
Pfarrer Oberlin im Steintal hatte eine liebe Schwiegermutter, die aber die üble Gewohnheit an sich hatte, dass sie bei jeder Gelegenheit den Namen Gottes in unnötiger Weise gebrauchte. Da verfiel Oberlin auf ein absonderliches Mittel, um die Mutter von dieser Unart zu erlösen. Der grüne Kohl in seinem Garten war sehr von Raupen heimgesucht. Als nun eines Tages die Mutter ihr Lieblingsplätzchen in der Fliederlaube eingenommen hatte, fing er an, die Raupen vom Kohl abzulesen. Bei der ersten rief er:
"Schwiegermutter, ich habe eine Raupe."
Die Mutter sagte: "Töte sie!"
Bei der zweiten rief er: "Schwiegermutter, schon wieder eine." So rief er bei jeder Raupe: "Schwiegermutter, schon wieder eine."
Da sagte die Mutter: "Aber, lieber Oberlin, töte doch die Raupen und rufe mich nicht bei jeder Raupe."
Oberlin sagte freundlich: "Liebe Mutter, ich denke nichts Böses dabei; weißt doch, dass ich dich lieb habe. Schwiegermutter, schon wieder eine."
Da ging die Mutter zornig ins Haus und sagte, sie sei eine alte Frau und lasse sich nicht verspotten.
Oberlin ließ sie ausreden, dann aber sagte er ihr, wenn sie, ein armes, sündiges Geschöpf, nicht ertragen könne, dass ihr Name unnütz geführt werde, wie dann wohl Gott, der Herr, sich könne gefallen lassen, dass sie mit seinem heiligen Namen beständig so verfahre! Von da an kämpfte sie tapfer gegen diese Unart an.
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