John Donne und das Leid
John Donne (1573-1631), Dekan der St. Paul's Kathedrale in London, kannte Leid und Schmerz. Während seiner Amtszeit gingen drei Pestwellen über die Stadt. Auch er wurde davon angesteckt. In dieser Zeit aber reifte er innerlich und beschrieb diesen Werdegang meisterhaft in seinen Andachten. "Das Läuten der Totenglocke lenkte Donnes Gedanken in eine überraschende Richtung. Bis dahin hatte er sich gefragt, welchen Sinn die Krankheit hat und was er daraus lernen könnte. Jetzt begann er, über den Sinn der Gesundheit nachzudenken. Hatte er das Geschenk der Gesundheit geheiligt, indem er anderen und Gott diente? Hat er das Leben als Vorbereitung betrachtet, als Trainingslager für ein weitaus längeres und wichtigeres Leben, das noch kommen sollte - oder als Selbstzweck? 'Ich bin der Mann, der Elend sehen muss', hatte er der Trauergemeinde auf der Beerdigung seiner Frau verkündet. Es wurde ihm klar, dass gerade die Nöte, die er damals am liebsten abgeschüttelt hätte, ihm zum geistlichen Wachstum verholfen hatten. Diese Prüfungen hatten ihn von der Sünde gereinigt und seinen Charakter gefestigt; die Armut hatte ihn gelehrt, sich ganz auf Gott zu verlassen, und von der Gier geheilt; Versagen und die öffentliche Kritik hatten dazu beigetragen, ihn von Stolz und Ehrgeiz zu heilen. Vielleicht hatte Gott selbst seiner Karriere Steine in den Weg gelegt - damals eine schreckliche Enttäuschung -, um ihn für den Pastorendienst vorzubereiten? Nach und nach wurde ein Muster sichtbar: Aus Schmerz und Problemen konnte etwas Gutes entstehen.
Manchmal benutzt Gott Leid als Werkzeug. So näherte sich Donne in seiner systematischen Untersuchung der Gegenwart. Konnte selbst dieser Schmerz etwas Gutes nach sich ziehen? Seine Krankheit schränkte ihn natürlich ein, aber der körperliche Verfall behinderte gewiss nicht das geistliche Wachstum. ... Donne steckte seine ganze Kraft in geistliche Übungen: Gebet, Sündenbekenntnis, das Tagebuch (aus dem dann später die Andachten wurden). Er konzentrierte sich nicht mehr auf sich selbst, sondern auf andere. Die Andachten zeugen von einer wichtigen Kursänderung, was Donnes Haltung zum Schmerz betrifft. Anfangs betete er darum, dass ihm der Schmerz genommen werde, später darum, dass ihn der Schmerz reinigen würde. Das schloss nicht aus, dass er durch ein Wunder geheilt werden konnte - darauf hoffte er -, aber selbst wenn das nicht geschehen sollte, konnte Gott aus einem unansehnlichen Klumpen im Feuer des Leidens pures Gold machen."
Philip Yancey, Warum ich heute noch glaube, Brockhaus, 2002
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