Jakob Vetter, der Gründer der Zeltmission
Vor einhundert Jahren, am 27. April 1902, wurde das erste Missionszelt auf europäischem Boden eingeweiht. Es stand auf der Anhöhe von Tersteegensruh bei Mülheim a. d. Ruhr. Damit wurde die Deutsche Zeltmission gegründet, die in diesem Jahr auf hundert Jahre gesegneter Missionsarbeit in Deutschland zurückschauen darf. Gründer dieser wichtigen Zeltarbeit war Jakob Vetter aus Worms, der nur 46 Jahre alt wurde, aber ein Werk ins Leben rief, das viele kirchenfremde Menschen und verlorene Sünder zum Heiland Jesus Christus rief.
Kindheit und Jugend
Als Sohn eines armen Gerbers wurde Jakob Vetter am 23. November 1872 in Worms am Rhein geboren. Er erblickte in der Stadt das Licht dieser Welt, in der 351 Jahre zuvor, vom 17. bis 26. April 1521, Dr. Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms wie eine Eiche gestanden und die Wahrheit des Evangeliums verteidigt hatte: »Da ich durch die Heilige Schrift überwunden bin und mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, so kann und will ich nichts widerrufen. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen.« Die Eltern Adam und Katharina Vetter wussten wenig oder nichts von der Reformation Martin Luthers und der Heiligen Schrift. Sie lebten ohne Gott und ohne Christus in dieser Welt.
»Wenn Du noch eine Mutter hast, ... so danke Gott und sei zufrieden! Nicht allen auf dem Erdenrund ist dieses hohe Glück beschieden!« Wie wunderbar beschrieb Friedrich Wilhelm Kaulisch in diesem Gedichtvers das Glück, noch eine liebe Mutter zu haben. Als der kleine Jakob drei Jahre alt war, starb seine von ihm so geliebte Mutter. Nie hat er in seinem Leben seine Mutter vergessen können. »O Seligkeit, eine Mutter gehabt zu haben. Kein größeres Unglück gibt es für ein Kind in der Welt, als wenn der Tod mit kalter Hand den silbernen Faden des Lebens seiner Mutter zerreißt. Ist die Mutter heimgegangen, dann ist des Kindes Sonne und Wonne, der Frühling seiner Jugend, seiner Liebe und Freude, ja alles dahin«, schrieb Jakob Vetter später.
Die Bibel kommt ins Haus
Als er 14 Jahre alt war, starb sein Vater durch einen Unfall. Dieser war noch kurz vor seinem Tode zum lebendigen Glauben gekommen. In der Sylvesternacht 1883 brach der Rheindamm in Worms und das Hochwasser strömte zwei Meter hoch in das Haus der Familie Vetter. Als kurze Zeit nach dieser Katastrophe ein Bibelkolporteur von Haus zu Haus ging und Bibeln verteilte, kam auch eine Bibel in das Haus von Familie Vetter. Durch die Hochwasserkatastrophe erschüttert, fing der Vater an, die Bibel zu lesen und wurde gläubig.
Der kleine Jakob erlebte eine schwere Jugend, die Stiefmutter verstand ihn nicht, mit vierzehn Jahren war er schon Vollwaise. Acht Wochen nach dem Tod des Vaters starb auch die Stiefmutter, und die Kinder wurden in verschiedenen Familien untergebracht. Im Alter von 17 Jahren wurde Jakob gläubig und sammelte Gleichaltrige um die Bibel. Daraus entstand der Jünglingsverein in Worms.
In St. Chrischona
Kurz vor seinem Tode hatte der Vater seine Kinder gesegnet und zu Jakob gesagt: »Du, Jakob, du wirst ein Diener des Allerhöchsten werden. Gib dich Ihm hin und bleibe Ihm treu bis in den Tod!« So ging Jakob Vetter zuvor mit Vater Greiner, seinem Vormund, auf Evangelisationsreisen und trat 1891 als Helfer in die Erziehungsanstalt Friedrichshöhe bei Basel ein. Dort hörte er den vollmächtigen Inspektor Carl Heinrich Rappard von St. Chrischona und fühlte sich nach zwei Jahren in den Dienst als Prediger berufen. Am 2. September 1893 trat er als Schüler in das Werk der Bibelschule St. Chrischona bei Basel in der Schweiz ein. Bereits während dieser Ausbildungszeit war er oft krank. Häufig überfielen ihn heftige Lungenblutungen, aber immer wieder richtete ihn der Herr auf.
Nach der Einsegnung am 25. Juli 1897 kam er als Prediger nach Lich in Hessen. Unter seiner vollmächtigen Verkündigung brachen überall Erweckungen aus. Er wurde in viele Orte gerufen, kam auch in die Schweiz und reiste am 23. Juni 1899 nach England. In England sah Jakob Vetter das erste Missionszelt.
Die Gründung der Zeltmission
Nun reifte in ihm der Plan, mit einem solchen Missionszelt auch auf dem europäischen Festland zu missionieren. Er betete ernstlich um die Mittel. Die erste Gabe waren vier Mark von einem armen Dienstmädchen. Aber ohne mit einem Menschen darüber gesprochen zu haben, erhielt er bis zum Jahre 1902 über 12.000,- Mark. So konnte das neue Zelt am 27. April 1902 seiner heiligen Bestimmung übergeben werden. Eine große Menschenmenge war bei der Einweihung anwesend. Überall, wo er mit dem Missionszelt hinkam, erregte er großes Aufsehen, aber auch heftige Feindschaft. Oft wurde er tätlich angegriffen, einige Male sogar vor Gericht zitiert, aber immer war Gott mit ihm und segnete ihn. Bei alledem litt er ständig unter seiner schwachen Gesundheit. Aber viele Menschen bekehrten sich unter seiner vollmächtigen Predigt.
Da er für die Wintermonate ein geeignetes Haus für das Zelt suchte, fand er nach ernstem Beten ein Haus in Geisweid bei Siegen. Dort entstand auch das Erholungsheim »Patmos«. Die Gaben dafür brachte er von einer Orientreise mit. Viermal war er im Heiligen Lande und evangelisierte in Russland, Holland, England und der Schweiz genauso wie in Deutschland. Am 26. September 1906 heiratete er die Lehrerstochter Maria Baumann aus Riehen bei Basel. Dem Ehepaar wurde eine Tochter geschenkt. Als Frühvollendeter wurde Jakob Vetter am 13. Dezember 1918 durch eine starke Grippe in Riehen bei Basel in die ewige Herrlichkeit abgerufen. Er war erst 46 Jahre alt. Die unten stehenden Worte hatte Jakob Vetter für seinen Grabstein bestimmt:
»Ich war ein armer Sünder; doch durch den Tod Christi fand ich das Leben und machte die Erfahrung, dass die Gnade ausreicht bis zu den Perlentoren Jerusalems!«
(aus Evangeliums Mission, J. Langhammer)
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