Insekten im Honigglas

Ich hatte einmal, so erzählt ein Knecht Gottes, ein halb­geleertes Honigglas im Gartenpavillon aus Versehen stehen lassen. Am anderen Morgen bot sich mir ein hässliches Bild. Durch den Honigduft verführt, waren unzählige Fliegen und Wespen und andere Insekten herbeigeflogen und hatten ihre Gelüste mit dem Leben be­zahlt. In Klumpen waren sie im Honig erstickt. Und während ich so stand, flogen immer neue herzu, trotz des warnenden Schicksals ihrer zahlreichen Genossen. Zitternd vor Naschsucht hingen sie zuerst am Rand des Glases. Bald klebten ihre Füße und ihre Flügel in der süßen Masse, und nach und nach kostete es immer einen nach dem andern das Leben.

Wie viele Menschen gleichen doch diesen Insekten! Ein wenig Naschlust zuerst, ein wenig Vergnügungssucht und Flei­scheslust locken die Ungefestigten wie Honig und werden ihnen dann zum erstickenden Gift, das Leib und Seele verdirbt.

Quelle: Neues und Altes
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