Innere Sammlung beim Beten fällt schwer
Martin Luther (1483-1546) hat einmal die mangelnde innere Sammlung beim Gebet sehr deutlich demonstriert, als er in einer Wirtsstube behauptete, niemand könne ein Vaterunser beten, ohne dabei an etwas anderes zu denken. - Luther wusste, wie sehr die anderen Lebensbereiche auf unsere Spiritualität einwirken und gleichsam die Oberhand gewinnen. - Doch Luther wurde heftig widersprochen, so dass er sich sogar erbot, ein Pferd zu wetten, dass er mit seiner Meinung recht hätte. Einer der Wirtshausgenossen nahm die Wette an. Luther gebot ihm daraufhin, in den angrenzenden Raum zu gehen, wenn er mit dem Vaterunser zu Ende sei, solle er zurückkommen. Falls er an nichts anderes gedacht hätte, würde ihm Luthers Pferd gehören. Der Wirtshausbruder zog freudig in den Nebenraum, denn er war sich seiner Sache sicher. Wie konnte Luther denn überhaupt nachweisen, dass er an nichts anderes gedacht hatte, als nur an das Vaterunser? Die anderen warteten gespannt mit Luther in der Wirtsstube. Doch es war kaum eine halbe Minute vergangen, da öffnete sich die Tür vom Nebenraum, und er kam zurück und fragte Luther: »Wie war das nun mit der Wette? Bekomme ich das Pferd mit oder ohne Zaumzeug?«
(Hans Schwarz)
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