Ich kann nicht lügen!

"Herr Direktor, sie werden am Fernsprecher gewünscht." 
"Wer ist's?" 
"Herr Immermann. Er war schon zweimal persönlich da." 
"Ich will ihn nicht sprechen. Sagen sie, ich sei verreist - na, wird's bald?" 
"Herr Direktor, muss ich das sagen?" 
"Natürlich, warum denn nicht?" 
"Es ist ja nicht wahr." 
"Dann ist es eben gelogen; aber sagen sollen sie's!" 
"Herr Direktor, ersparen sie mir' s, ich kann nicht lügen." 
"Dann lernen sie's, jedenfalls haben sie zu gehorchen." 
"Herr Direktor, sie wissen, dass ich Ihnen gehorche, wo ich kann, aber in diesem Fall kann ich nicht."
"Warum denn nicht?" 
"Sie wollen doch nicht, dass ich sie anlüge?" 
"Ich möchte es Ihnen nicht raten!" 
"Dann muten sie mir, bitte, auch nicht zu, andere zu belügen. Ich könnte sonst eines Tages vielleicht nicht mehr unterscheiden, wen ich anlügen darf und wen nicht. - Und überhaupt: als Christin möchte ich wahr sein." 
"Na, schön! Schließlich kann sich's ja eine Firma wie die unsrige leisten, wenigstens einen durchaus ehrlichen Menschen unter ihren Angestellten zu haben. - Nun aber, marsch, an die Arbeit!" 

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1662
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