Ich habe wieder ein Konto an Zeit!
Der 59-jährige Innenarchitekt Weber wird mit Krebsverdacht ins Spital eingeliefert. Langwierige Untersuchungen erhärten den Verdacht. Eine Operation wird unumgänglich, vielleicht ist aber alles schon zu spät. Weber schildert eindringlich seine Ängste, seine Verzweiflung, sein Warum-Fragen - aber auch sein Schreien zu Gott um die Kraft, bestehen zu können. Er kämpft zwischen Widerstand und Ergebung, seine Zeit scheint abgelaufen. Nach der Operation - sie dauerte 8,5 Stunden - tritt der Professor an sein Krankenbett und sagt: "Ich kann Ihnen keine Garantie geben. Das können wir in einem solchen Fall nie. Aber Sie haben eine echte Chance, wieder gesund zu werden - und das ist schon sehr viel - oder nicht?" Und Weber bricht in dankbare Freude aus. Er schreibt: "Ich darf wieder über ein Konto an Zeit verfügen! Ich, dessen Konto auf Null abgeschrieben war, darf wieder sagen: Morgen mache ich das, und übermorgen werde ich jenes tun! Es ist unfassbar, ein Geschenk von unerhörtem Wert, ich darf wieder Schecks auf die Zukunft ziehen! Niemand von all denen, die Zeit für etwas Selbstverständliches ansehen, wie ich dies früher auch getan habe, kann auch nur in etwa die Kostbarkeit dieses Schatzes ermessen. Ich bin reich, ungeheuer reich, obwohl ich nicht weiß, wie hoch mein Konto aufgestockt wird. Aber eines weiß ich: Früher, als ich mich als Zeitmillionär mit unbeschränktem Konto fühlte, vermochte ich die Köstlichkeit einer Minute, einer Stunde oder gar die Zeitfülle einer Woche niemals so zu schätzen und zu genießen, wie ich heute die Sekunde eines jeden Tages nützen und genießen werde, die zu leben der Schöpfer mir vergönnt." Ja, es gibt gewisse Tore, die einzig die Krankheit öffnen kann.
(Johannes B. Bremischen)
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