Ich habe keine Sünde
Zu Modersohn kam einmal eine Frau in die Sprechstunde und sagte, sie wolle sich bekehren.
"Warum wollen sie sich denn bekehren? Haben sie denn gesündigt?"
"Nein! Ich bin immer eine ordentliche Frau gewesen", sagte sie mit dem Ton der Entrüstung.
"Also eine Sünderin sind sie nicht?"
"Nein! Was denken Sie von mir!"
"Nun, dann brauchen sie sich auch nicht zu bekehren."
So ging die Rede eine Zeitlang hin und her. Dann brach Modersohn das Schweigen und sagte: "Ich will Ihnen einen guten Rat geben. Gehen sie jetzt nach Hause und bitten sie den Herrn: 'Herr, zeige mir mein Herz, so wie du es kennst! 'Aber bitte, sagen sie es dem Herrn nicht nur einmal und nicht mit den Lippen, sondern mit dem Herzen."
Nach zwei Tagen kam sie wieder mit ganz verweintem Gesicht.
"Ach", schluchzte sie, "ich habe Ihren Rat befolgt ... Oh, ich hätte nie gedacht, dass ich so schlecht wäre. Was hat mir der Herr alles gezeigt. Mein ganzes Leben ist er mit mir durchgegangen. An Sachen hat er mich erinnert, die ich längst vergessen hatte. Oh, es ist ganz schrecklich! Glauben sie wohl, dass der Herr für so eine, wie ich bin, noch Gnade hat?"
"Ja", sagte Modersohn, und zeigte ihr die Verheißungen, die den Sündern gegeben sind, und fügte hinzu: "Vorgestern konnte der Heiland nichts mit Ihnen anfangen, denn des Menschen Sohn ist gekommen, um Sünder selig zu machen. Aber heute, wo sie das bekannt haben, dass sie eine Sünderin sind, da ist er der rechte Heiland."
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