Ich habe kein Geheimnis

Ich weiß von einer alten, frommen Frau, die ein solcher Friedensmensch war, dass man sich fragte, worin ihr Geheimnis bestand. Sie antwortete ganz verwundert: "Ich habe gar kein Geheimnis! Ich weiß gar nicht, was ihr wollt! Wenn ich mich am Morgen wasche, dann sage ich: Herr Jesus, so wie ich mich jetzt mit Wasser wasche, so wasche du mich mit deinem Blute, dass ich gereinigt und bewahrt durch dein Blut in diesen Tag gehen kann! Und wenn ich mich anziehe, dann sage ich: Herr Jesus, so wie ich jetzt die Kleider anziehe, so ziehe du mich an mit dem Rock deiner Gerechtigkeit! Und wenn ich die Stube ausfege, dann sage ich: Herr Jesus, so wie ich jetzt die Stube ausfege, so fege du den Sauerteig des alten Wesens aus meinem Herzen aus! Und wenn ich das Feuer anmache, dann sage ich: Herr Jesus, so wie ich jetzt das Feuer anzünde, so zünde du in mir das Feuer deines Heiligen Geistes an! Und so mache ich's mit allem. Ich habe gar kein Geheimnis!" Nicht wahr, damit hatte sie ihr Geheimnis verraten. Ihr Geheimnis war: Sie betete stets.
Machst du es auch so? Viele Kinder Gottes machen einen Fehler. Sie beten wohl am Morgen und befehlen sich der Gnade Gottes und bitten den Herrn um seine Leitung, und dann gehen sie doch auf eigene Faust in das Tagewerk hinein. Nach etlichen Stunden kommt es ihnen zum Bewusstsein: "Da bin ich aber ganz aus der Führung herausgeraten! Ich habe Briefe empfangen und geschrieben ohne Gebet. Ich habe mit meinen Kollegen und Kameraden gesprochen - ohne Gebet. Ich habe Entscheidungen getroffen und Beschlüsse gefasst - ohne Gebet." Kein Wunder, dass manches falsch wird, wenn man es ohne betende Verbindung mit dem Herrn tut.
(Ernst Modersohn, 1870-1948)

Quelle: In Bildern reden, Heinz Schäfer, Beispiel 1334
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