Ich gebe Gott eine Minute Zeit!
Vor einigen Jahrzehnten lebte ein Mann, der ein sehr hohes Ziel und einen sehr starken, unbändigen Willen hatte, mit dem er über alle Widerstände und Gegner hinwegwollte, auch über seinen größten Gegner - Gott.
"Es gibt überhaupt keinen Gott", so sagte er zu seinem Freunde, der, weil sie zufällig auf einem Alpengipfel standen, die Schöpferherrlichkeit Gottes zu preisen begonnen hatte.
"Es gibt doch einen", sagte der Freund.
"Es gibt keinen Gott", sagte der Mann. "Und das werde ich dir jetzt beweisen." Darauf zog er seine Taschenuhr hervor. "Wenn es einen Gott gibt", sagte der Mann, "so soll er mich jetzt vernichten. Ich gebe ihm eine Minute Zeit."
Die Minute verstrich und nichts geschah.
"Siehst du", sagte der Mann, "es gibt keinen Gott."
"Versündige dich nicht", sagte der Freund. "Du wirst es furchtbar büßen müssen."
"Niemals", sagte der Mann. "Das werde ich dir auch beweisen. Aber dafür musst du mir etwas mehr Zeit geben als eine Minute."
Und der Mann schien tatsächlich recht zu behalten.
Die Jahre vergingen, und mit Hilfe seines unbändigen Willens wurde er ein Großer dieser Erde, ein Herrscher über Millionen, und wenn es ihm möglich gewesen wäre, dann hätte er die Sonne angehalten, damit sie über seinem Reich nicht mehr unterginge.
Und als er auf dem Gipfel seiner Macht stand und ihm alles, was er angefasst hatte, geglückt schien, da machte er einen Krieg und - verlor diesen Krieg.
Nun musste er fliehen. Er setzte sich in einen LKW, verließ Land und Leute, wie er einmal Gott verlassen hatte, und damit man ihn nicht erkennen sollte, setzte er sich einen deutschen Stahlhelm auf und zog einen deutschen Soldatenmantel an, denn er hatte immer noch nicht begriffen, wer ihm eigentlich auf den Fersen war, einer nämlich, der durch alle Verkleidung hindurchsieht, einer, vor dem man auch auf dem schnellsten LKW der Welt nicht fliehen kann. Er hatte noch nicht begriffen, dass die Minute um war, die Minute, die er Gott einstmals gegeben hatte, um ihn zu vernichten.
Jetzt war sie um, die Minute auf Gottes Uhr.
Vielleicht begriff er es, als wenige Stunden darauf die Schüsse knallten, weil der Zeiger auf Gottes Uhr durch die sechzigste Sekunde lief.
Dieser Mann war Benito Mussolini, der Faschistenführer Italiens.
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