Ich aber nehme meine Last und lasse sie bei ihm

Es gibt die Geschichte einer armen Frau, die triumphierend durch ein Leben ungewöhnlich großen Kummers hindurchgetragen wurde. Sie erzählte einst einer freundlichen Besucherin ihre Geschichte, und am Schluss sagte die Besucherin mitfühlend: 
"O Hanna, ich verstehe nicht, wie du soviel Kummer ertragen konntest!" 
"Ich ertrug ihn nicht", war die unmittelbare Antwort, "der Herr trug ihn für mich." 
"Ja", sagte die Besucherin, "so ist es richtig. Wir müssen unsere Lasten dem Herrn bringen." 
"Ja", erwiderte Hanna, "aber wir müssen noch mehr tun. Wir müssen sie dort lassen. Die meisten Menschen bringen ihm ihre Lasten, aber sie nehmen sie wieder mit und sind genauso bekümmert und unglücklich wie vorher. Ich aber nehme meine Last und lasse sie bei ihm und gehe weiter und vergesse sie. Wenn der Kummer wiederkommt, bringe ich ihn wieder zu ihm, und so tue ich es immer wieder, bis ich zuletzt vergesse, dass ich einen Kummer habe, und völlig ruhig bin."

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 826
© Alle Rechte vorbehalten