Hier geht es um die Haltung, nicht um die Wahrheit

Eines Morgens bereitete ich mich auf eine Beerdigung vor, als das Telefon klingelte. Es war ein Prediger aus England, der gerade in der Gegend war. Ich wusste zufällig, dass er eine Ansicht über das Kommen des Herrn vertrat, die ich als äußerst unschriftgemäß betrachtete. Schließlich kamen wir auch auf das Thema Prophetie, und ich machte meinen Gefühlen in sehr erhitzter Manier Luft. Ich bin sicher, die Telefondrähte wurden recht heiß dabei. Nebenbei bemerkt war das natürlich eine sehr armselige Vorbereitung auf die Beerdigung. Wir stritten uns eine ganze Weile und stellten nachher fest, dass wir beide überzeugter von unseren Standpunkten waren als zuvor.
Ein Jahr später befand ich mich in London. Und da hatte ich einen höchst unerwünschten Besuch vom Herrn. Ich ging eine Straße hinunter, die ganz in der Nähe der Wohnung des betreffenden Predigers lag. Ich sehe immer noch die Telefonzelle vor mir. »Da ist sie, Bill. Meinst du nicht, du solltest den Bruder anrufen und dich für deine rüde Art entschuldigen?« »Aber Herr, ich denke immer noch, dass ich im Recht war. Ich habe die Wahrheit bezüglich dessen verteidigt, was deine bevorstehende Wiederkehr betrifft.«
»Darum geht es jetzt nicht. Hier geht es nicht so sehr um eine Sache der Wahrheit, sondern vielmehr der Haltung.« Ich ging in die Zelle und wählte die Nummer (in der Hoffnung, dass niemand abheben würde). Aber er war da, und er nahm auch direkt ab. Ich erklärte ihm, warum ich ihn anrief. Es war ein Schlag für meinen Stolz und zwar ein solcher Schlag, dass sich mein Stolz nie wieder davon erholte. Er nahm meine Entschuldigung liebenswürdig an und lud mich für den nächsten Tag zum Mittagessen in ein nahegelegenes Restaurant ein. Später wurde ich eingeladen, einmal in der Gemeinde zu sprechen, die er besuchte.
(William MacDonald)

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1718
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