Herr, schätze du mich!
Lars Skrefsrud reist für seine Mission durch England und Amerika, allenthalben als großer Gelehrter, der 43 Sprachen spricht, und als hervorragender Redner. Man macht ihm ein Festmahl. Er sitzt als gefeierter Ehrengast an reichgeschmücktem Tisch und um ihn her in glänzendem Kreise die Damen und Herren der hohen Gesellschaft. Die Reden nehmen kein Ende. Man vergleicht ihn mit den größten Männern der Sprachwissenschaft, mit den bedeutendsten Volksrednern, mit einem Moody, einem Spurgeon, und setzt ihn über alle beide. Er aber hört nur wie im Traum all die Lobreden, sein Auge ist wie nach innen gekehrt:
"Herr", fleht er, "schätze du mich!" Und da steigt - wirklicher, als der prunkvolle Saal mit den Gedecken und berauschenden Duft aussendenden Blumengewinden - eine kleine, enge Zelle vor seinem umschleierten Blicke auf, und er sieht sich selbst im Sträflingskleid am Boden kauern und die Hände hungrig nach der Blechschüssel ausstrecken, und er hört einen Geist sein Urteil verlesen. - Unter dem Tisch presst er die Hände fester zusammen: "Herr! Herr! Ich danke dir, dass du mich so tief gedemütigt hast."
Nach: I. Gaeter, "L. D. Skrefsrud"
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