Herr Professor, ich habe täglich 600 Menschen zu versorgen.

Baron von Kottwitz, der bekannte Berliner Armenfreund, kam einmal zu dem geachteten Philosophen G. Fichte. Geringschätzig und von oben herab behandelte dieser den schlichten Mann. Im Laufe des Gesprächs sagte dann Fichte in seiner schroffen Art eben jenes Wort: "Das Kind betet, der Mann will."
Respektvoll, aber bestimmt sagte Kottwitz darauf: "Herr Professor, ich habe täglich 600 Menschen zu versorgen und weiß oft nicht, woher ich das Brot nehmen soll. Da kenne ich nur ein Mittel: Das Gebet zu meinem himmlischen Vater, und das hat mir auch immer noch geholfen."
Darauf schwieg der Philosoph eine Weile, Tränen traten ihm in die Augen, und er sagte: "Ja, lieber Kottwitz, dahin reicht meine Philosophie nicht."
Fichte hat wohl gewusst, was er tat, als er kurz vor seinem Tode den alten Kottwitz zum Vormund seines Sohnes bestimmte.

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 342
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