Gottesbeweis kostenlos

Ein reicher russischer Kaufmann wollte in ein anderes Dorf über die Steppe gefahren werden. Er fand einen deutschen Bauern, der sich bereit erklärte. Unterwegs begann der Kaufmann über Gott und das Christentum zu spotten. Der Bauer aber bekannte sich zu seinem Gott. Dann sagte er: "Heute Nacht werde ich es Ihnen beweisen, daß es einen Gott gibt, dem Sie Rechenschaft abgeben müssen." Darauf schwieg der Bauer. So fuhren Sie in die Nacht hinein. Dann unterbrach er die Stille: "Hier, in dieser Vertiefung, wurde unser Butterhändler vor einigen Tagen mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden." Der Kaufmann: "Ist es denn in dieser Gegend so gefährlich?" Nach einer Weile: "Sehen Sie diesen kleinen Hügel? Dort wurden drei russische Kaufleute ermordet." Sie fuhren weiter.

Der Bauer hielt, stieg von seinem Wagen und hieß den Kaufmann auch absteigen. Dann packte er ihn am Kragen und fuchtelte mit seinem Messer und schrie: "Her mit Eurem Geld. Betet Euer letztes Vaterunser, Eure letzte Stunde hat geschlagen!" Der Kaufmann zitterte: "Erbarm dich meiner, denk an meine Frau, an meine Kinder. Gott wird dich strafen, wenn du das tust!" "Gott? Den gibt es ja nicht. Wer sollte mich zur Rechenschaft ziehen? Bald werden die Wölfe deine Knochen fressen." Er drückte den Kaufmann zu Boden. Dieser zitterte und begann zu beten: "Herr, erbarme dich meiner, ich habe viel betrogen und gesündigt, vergib mir meine Schuld." Der Bauer ließ etwas lockerer: "Sag, gibt es Gott, gibt es ein Leben nach dem Tod, oder nicht?" "Jawohl." "So, steig wieder auf den Wagen, wir fahren weiter." Als sie am Bestimmungsort angelangt waren, bot der Kaufmann 20 Rubel für die Fahrt, worauf der Bauer nur drei Rubel, laut Abmachung, annahm. "Drei Rubel. Den Gottesbeweis habe ich Euch umsonst erteilt, behaltet ihn!"

Quelle: S. Keller, "Unsichtbare Fäden", S. 73
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