Gottes Gegenwart - Trost im Leid
Vor einigen Monaten saß ich neben einer Frau, welche schon seit verschiedenen Jahren ihr Bett nicht mehr hatte verlassen können. Sie lag in einem schrägen Dachstübchen, dessen Wände zugleich das Dach bildeten. Ringsumher war alles mit Bibelstellen behängt, die sie selbst liegend gezeichnet hatte. Sie war kaum je ohne Schmerzen; ruhelose Nächte und traurige Tage waren ihr beständiges Los. Als ich so da saß, um mit ihr zu sprechen, sagte sie: "Ich kann ihnen nicht sagen, wie oft Gottes Gegenwart diesen Raum erhellt hat. Er ist mir zu solchem Palast geworden, dass ich Könige auf ihren Thronen nicht beneidete, wenn ich hier Christi Besuch empfangen durfte. Obschon ich seit Jahren nicht eine Stunde von Schmerzen frei bin, versichere ich Ihnen, dass dieses Kämmerchen ein wahrer Himmel für mich gewesen ist."
Es war keine exaltierte hysterische Frau, die das sagte. Sie hatte im Gegenteil ein so einfältiges, nüchternes Wesen, wie ihr es selten findet; sie war die Tochter eines ehrlichen Arbeiters und seines stillen, gottseligen Weibes. Da lag dies arme Weib, das da erklärte, dass Gott stets bei ihr sei. Als ich mit ihr sprach, fühlte ich, das ihr Zeugnis wahr sei, denn ich war mir der Gegenwart des Allmächtigen ebenso bewusst, wie das zuweilen auf hohen Bergen oder auf dem Ozean der Fall gewesen ist. So empfand ich das tiefe Geheimnis seiner Gegenwart, als ich an dem bescheidenen Lager seiner leidenden Magd weilte. Wenn da ein Skeptiker eingetreten wäre mit dem Wort: "Es ist kein Gott!" - wir würden ihn verlacht haben; nein, unser Mitleid mit seiner Unwissenheit hätte unser Lachen in Weinen verwandelt. Wahrlich, "das Geheimnis des Herrn ist bei denen, die Ihn fürchten."
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