Gott benützen - heißt Sünde
Martin Luther (1483-1546) hat den Begriff "uti Deo" (= Gott benützen) gebraucht. Wir sündigen nicht nur, indem wir Gott leugnen (= theoretischer Atheismus), sondern auch, indem wir Gott als Mittel für unsere Zwecke einsetzen (= praktischer Atheismus). Das kann man ganz verschieden machen, gerade auf die "fromme Tour".
Für manche ist Gott so etwas wie eine Planierraupe. "Lieber Gott, ich habe da meine Pläne in meinem Leben. Doch auf dem Weg gibt's noch einige Hindernisse, und nun bitte ich dich schön, lieber Gott, hilf mir. Du räumst mir doch die Hindernisse aus dem Weg, nicht wahr? Wozu haben wir dich denn sonst?" Wer Gott als Planierraupe benützt, der mag dabei noch so wunderschön beten - er ist ein praktischer Atheist!
Andere - vor allem junge Leute - benutzen Gott wie eine Art Rauschgift. "LSD ist gefährlich - Jesus ist besser. High durch Jesus" - da gibt's entsprechende Lieder, die einen geradezu in Ekstase bringen. Dabei geht es aber gar nicht um Jesus, sondern um unser Hochgefühl. Das ist praktischer Atheismus!
Wieder andere benutzen Gott wie einen Waschlappen. Ab und zu hat man das Gefühl: Du musst mal wieder innerlich reinemachen. Wie gut, dass wir Gott zum Vergeben haben! Voltaire (1694-1778) hat einmal gesagt: Vergeben, das ist sein Metier, dafür haben wir ihn. Der Schuster macht Schuhe, der Anstreicher färbt die Wände - Gott ist zum Vergeben gut. Er ist für unsere seelische Hygiene zuständig, damit's uns im Gemüt wieder besser geht. Praktischer Atheismus!
Man kann Gott auch als einen Gummiknüppel benutzen. Das geschieht leider heute häufig unter verschiedenen christlichen Gruppen. Die Tonart lautet: Wir haben Recht, und wehe euch, wenn ihr anders denkt. Dann kommt "Gott" und schlägt zu. Gott als "Knüppel aus dem Sack"! - praktischer Atheismus!
In all diesen Fällen geht es nicht um Gott, sondern es geht um uns, um unsere Pläne und Wünsche, um unser Wohlbefinden und unser Rechthaben. Das ist die "fromme Tour". Dabei können Gesangbuch und Bibel eine große Rolle spielen. Uti Deo, Gott benützen.
Vielleicht ist das die gefährlichere Form der Sünde, jedenfalls die Form, die uns allen vertraut ist. Gott wird zu einem Groschenautomaten degradiert. Man steckt für einen Groschen Glauben hinein, und dann wartet man, dass im Weltgebäude ein Summen ertönt und das Gewünschte herauskommt - wir haben ja schließlich Glauben investiert. Wenn der Apparat dann nicht so spurt, holen wir unser Portemonnaie wieder hervor, drücken auf den Rückgabeknopf, lassen den Groschen wieder unten herausfallen, stecken ihn ein und sagen: Beten hat ja ohnehin keinen Sinn. Dieser Gott hat nicht funktioniert.
Sünde, so hat einmal ein Theologe gesagt, ist die "Mittelpunktshaltung" des Menschen. Gott kann dabei durchaus mittun. Er darf in unserem Leben sogar die erste Geige spielen. Das Dirigentenpult haben wir allerdings für uns selbst reserviert. Wir geben die Einsätze und sagen: Jetzt hast du Pause, jetzt sind die anderen Instrumente dran, jetzt bitte Piano, jetzt Forte, und jetzt dein Einsatz, Gott!
Sünde ist nicht nur die List, mit der man Gott abschaffen möchte und seine Existenz verneint, sondern auch der "fromme Trick", bei dem Gott die erste Geige spielen soll, wenn wir dirigieren. Gott benützen, das heißt Sünde. (Siegfried Kettling)
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