Glücklich im Gefängnis

Monika Hunnius erzählt in ihren "Bildern aus der Zeit der Bolschewikenherrschaft in Riga":

"Man ging wie mit einem Joch auf seinem Nacken durch sein mühsames Leben. Aber neben diesem mühsamen Leben oder vielmehr über ihm erwachte ein Leben, still, groß und herrlich, wie wir es nie gekannt. Es ging von den Gefängnissen aus, es strahlte durch die Mauern, es brach durch die vergitterten Fenster; ich kann es nicht anders nennen, als ein Leben im ewigen Licht. Es kommen dazwischen aus den Gefängnissen Berichte durch bestochene Wärter. Alle erzählen von wunderbarer Weise, wie die Leiden ertragen werden, wie groß und still die Opfer in den Tod gehen. Sogar manche der rohen Wärter sind davon erfasst. Im Schmutz und Elend, in Hunger und Kälte, leiden die Gefangenen unverzagt, stärken sie einer den anderen. Abends halten sie Andachten in ihren Zellen und singen ihre Lieder miteinander. Von einer Zelle zu anderen klingt es tröstend und hell durch die Dunkelheit. 'Ich habe einen Brief von meinem Mann aus dem Gefängnis', sagt mir eine junge Frau mit strahlenden Augen, in denen dabei Tränen stehen, 'er schreibt glücklich! Das Leben dort hat so große leuchtende Schwingen. Bin ich nicht eine selige Frau? Ich habe einen Mann, der im Gefängnis glücklich sein kann!' Schlichte Menschen werden zu Helden, helfen, trösten, führen. Kräfte erwachen und teilen sich den anderen mit."

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 203
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