Gesetz und Gnade
Otto Funcke über Gesetz und Gnade: Ein junger, reicher Bauernsohn stürzte von der Leiter und verletzte sich lebensgefährlich. Vater Funcke, der Arzt, wurde geholt und Otto ging mit. Der Junge hatte sich zweimal das Rückgrat gebrochen. Sein Vater: "Da haben wir das Unglück, ungehorsamer Junge. Gustav, hatte ich dir nicht strengstens verboten, die Leiter zu betreten? Und nun hast du uns ins Elend gestürzt. O ich armer Mann, nun habe ich keinen Sohn und keinen Erben mehr!" Das Gesicht des Unglücklichen verfinsterte und verzerrte sich.
Dann aber kam die Mutter an das Bett ihres einzigen Sohnes, ergriff seine Hand und sprach vom Erbarmen gepackt: "Gustav, Gott liebt dich, mehr als ich dich lieben kann, auch wenn du jetzt sterben musst. Er sagt zu dir: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Zum Himmel zieht er dich, zur Freude, die ewig währt, durch kurze Schmerzen hindurch."
Otto Funcke weiter: Nie habe ich in dem Antlitz eines Menschen eine so schnelle, wunderbare Veränderung gesehen wie in dem Angesicht des kleinen Gustav... Dann streckte er seine Arme aus, so gut er es noch vermochte, und sagte: "Er hat mich lieb! Er hat mich lieb! Gott hat mich doch lieb!" Dann wurde er bewusstlos und starb mit dem holdesten Lächeln auf dem Gesicht.
Hatte der Vater nicht Recht? Alle seine Worte waren wahr. Und trotzdem - was war die Wirkung? Die Mutter aber sprach von der Liebe Gottes, obwohl nichts davon zu sehen war. Aber was war hier die Wirkung? So verhält es sich mit dem Gesetz und der Gnade!
(A. Pagel, Otto Funcke, ein echter Mensch und ganzer Christ)
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