Gemeindezucht in einer Missionsgemeinde

In einer ostafrikanischen Gemeinde war ein Christ unter Kirchenzucht gestellt worden, weil er eine zweite Frau genommen hatte. Er will sich der Zucht nicht beugen und bleibt bald ganz vom Gottesdienst weg und fällt in heidnisches Wesen zurück. Im Gemeindekirchenrat schlägt der Missionar nach mehr als einem Jahr vor, diesen Mann aus der Gemeindeliste zu streichen. Befremdet hört der Gemeindekirchenrat diesen Vorschlag. ,,Ja, Missionar, ist das dein Ernst?" - "Freilich!" - "Meinst du das wirklich? Wir sollen ihn streichen? Er gehört doch zu uns! Kannst du denn einfach von einem Leibe ein Glied abschneiden und wegwerfen?" Der Missionar stutzt. Aber dann sagt er: ,,Ja! Es kann ein Glied so krank sein, dass man es abschneiden muss, um das Leben des Körpers zu erhalten." - "Woher weißt du, dass dieser Mann so krank ist, dass er abgeschnitten werden muss?" Nach kurzer Pause fährt der Sprecher fort: "Aber es ist gut, dass du von der Sache geredet hast. Wir danken dir sehr. Du hast uns an eine Schuld erinnert, die wir selbst haben. Wir haben diesen Mann allein gelassen. Wir sind ihm nicht nachgegangen." - "Und was wollt ihr tun?" - "Das wissen wir noch nicht. Zuerst müssen wir jetzt beten. Wir müssen Gott bitten, dass er uns, den Ältesten der Gemeinde, unsere Schuld vergibt und dass er uns erleuchte. Dann werden wir auch wissen, was wir in dieser Sache zu tun haben." Die Beratung wird unterbrochen. Nach dem Gebet steht einer der Ältesten auf und meint: "Wir sollten an jedem Sonntag nach dem Gottesdienst einen von uns zu diesem Mann schicken, ihn von der ganzen Gemeinde grüßen und ihm sagen lassen: Wir haben dich vermisst, du bist ja unser Bruder. Wir senden dir deshalb einen von uns, dass er dir. So gut er es vermag, weitersage, was wir im Gottesdienst gehört haben. - Während dieses Besuches bleiben wir, oder am besten die ganze Gemeinde, in der Kapelle beieinander und bitten Gott unablässig, dass er diesen Besuch segnen wolle." - Nach kurzer Beratung wird dieser Vorschlag von allen gutgeheißen und man verfährt danach Sonntag um Sonntag. Vierzehn Wochen lang hat es der so von der Gemeinde getragene und gesuchte Mann ausgehalten. Am 14. Sonntag sagte er: "Ihr braucht nun nicht wiederzukommen. Eure Liebe ist mir zu stark geworden. Ich komme zurück." Er bekennt vor der Gemeinde seine Schuld, besucht die "Bußklasse", d. h. er lässt sich noch einmal im Katechismus unterrichten, als einer, der Gottes Wort wohl mit dem Kopf gelernt, aber noch nicht mit dem Herzen ausgenommen hatte, entlässt die zweite Frau (für die diese Wendung weder unerträgliche Schmach noch ernstliche Bedrohung ihrer Existenz bedeutet) und wird dann in feierlichem Gottesdienst unter den Lob- und Dankliedern der frohen Gemeinde wieder aufgenommen.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 1471
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