Geldsendung zur rechten Zeit

Eine Gebetserhörung bei Jung Stilling (1740-1817): Im Frühling 1776, als er sich noch als Arzt in Elberfeld betätigte, geriet er in arge Bedrängnis, da er oft arme Augenpatienten ohne Entgelt bei sich aufnahm. Nun sollte er rückständige Miete bezahlen und sagte, ohne das Geld in Händen zu haben - denn er vertraute allezeit auf die schon so oft erfahrene Durchhilfe seines himmlischen Vaters -, die Begleichung auf einen bestimmten Zeitpunkt zu. So bat er denn Gott auch in dieser schweren Lage wieder um seinen Beistand. Schon nahte der letzte Tag der Frist heran, und nirgends zeigte sich auch nur die leiseste Hoffnung auf Geld oder irgendeinen Ausweg. Aber seine Glaubenszuversicht und Treue sollten auch diesmal nicht enttäuscht werden. Am Morgen jenes Tages nämlich erschien der Briefträger und überbrachte 115 Reichstaler in Gold, womit die Not gestillt war. Wer aber war dieser »Rettungsengel«? Kein anderer als Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)! Dieser hatte zwei Jahre vorher Stillings Handschrift zur »Lebensbeschreibung« (l. Teil) mit sich genommen und war davon so ergriffen, dass er sie ohne dessen Wissen in Druck gegeben hatte. Und diese Geldsendung war nun die Vergütung für das Buch. Warum hat es den Verfasser gerade in der Zeit höchster Not erreicht? Warum gerade am letzten Tag? Der Zufall hätte es ihm doch auch einen Tag vor- oder nachher in die Hände spielen können!

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1808
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