Gebet eines gottlosen Soldaten

Ein roher, wild und gottlos aufgewachsener französischer Soldat war endlich des Soldatenlebens müde geworden und hatte mehrmals aber immer vergebens, um seinen Abschied nachgesucht. Den Ärger über dieses vergebliche Bitten pflegte er durch Schimpfen und Wüten an seinen Hauswirten auszulassen. Einst wurde er bei einer gottesfürchtigen Witwe einquartiert, an der er ebenfalls seinen Zorn abkühlen wollte. Aber sein ergrimmtes Auge erblickte auf ihrem Tische eine aufgeschlagene Bibel. Er sah hinein und las die Worte: "Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, so werdet ihr es empfangen." - "Wie?" sprach er zu der Witwe, "ist das wahr, was hier steht?" - "Freilich!" antwortete diese. - "Also, wenn ich Gott bitte, dass er mir den Abschied verschafft, wenn Sein Wort wahr ist, so muss ich ihn erhalten!" rief der Soldat aus. - "Aber um irdische Güter lehrt uns die Schrift nur bedingt zu bitten, um geistliche Güter mögen wir unbedingt flehen", entgegnete die Witwe. - "Davon steht hier kein Wort!" antwortete der Soldat, "hier heißt es schlechtweg: Alles was ihr bittet." - "Nun ja, so ist's auch wahr, was hier steht; denn Gottes Wort kann nicht lügen noch trügen", erwiderte die Frau.
Tag und Nacht trug nun der Soldat jenen Spruch in seinen Gedanken herum; der Funke der Wahrheit hatte gezündet. "Du kannst ja einmal den Versuch machen und Gott um deinen Abschied bitten," dachte der Soldat; "hilft's nichts, so kann's ja auch nichts schaden!" Er ging in seine Kammer, warf sich auf sein Angesicht und bat flehend um Befreiung vom Soldatenstande. Während er aber betete, traten die zahllosen Sünden seines Lebens vor seine Seele und sein Herz sprach: "Wie? Du großer Sünder willst hoffen, Gott werde dich erhören?" - Tränen traten ihm in die Augen; er rief zu Gott um Gnade und der Herr erhörte sein Schreien, gab ihm Glauben, ein neues Herz und einen gewissen Geist. Aus dem Säufer wurde ein nüchterner Mann, aus dem Tiger ein Lamm, aus dem Wollüstling ein Reiner und aus dem wilden Flucher ein demütiges Kind Gottes.
Diese plötzliche Bekehrung zog die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Soldaten. Seine Vorgesetzten sowie seine Kameraden fragten ihn, was ihn so religiös gemacht habe. Er bekannte es und leugnete die Wahrheit nicht. Mit Freuden legte er Zeugnis ab von der großen Barmherzigkeit, die Gott seiner Seele erzeigt hatte. Seine Worte, die aus vollem Herzen kamen, trafen auch die Herzen seiner Kameraden. Viele derselben kehrten in sich und fingen an, mit allem Ernst nach Gott zu fragen. Das Beispiel des einen übte einen starken Einfluss auf die anderen aus und von Tag zu Tag gewann das Evangelium festeren Boden in dem Regiment, dem unser Freund angehörte.
Die meisten Offiziere sahen das Werk des Heiligen Geistes in den Herzen ihrer Soldaten nicht gerne; sie betrachteten die Frömmigkeit als etwas, das dem militärischen Geist ganz unangemessen sei, und es verdross sie, in ihren Reihen so viele "elende Kopfhänger" zu sehen. Sie berichteten ihrem Obersten darüber und nannten ihm auch den Urheber dieser ihnen so ärgerlichen Bewegung. Man stellte mit diesem nun ein genaues Verhör an; aber der einfache Soldat, weit entfernt, sich dadurch einschüchtern zu lassen, benützte mit Freuden diese Gelegenheit, um laut seinen Glauben zu bekennen und von der Gnade Gottes in Jesu Christus Zeugnis abzulegen. Er fügte noch hinzu, dass er seine Kameraden nicht verführt habe, sondern durch das einfache Erzählen von dem, was der Herr an ihm getan, habe er versucht, sie von dem Weg der Sünde auf den einzigen Weg zu weisen, der zum Leben führt.
Man fragte ihn, warum er nicht mehr so sehr nach seinem Abschied verlange, da er doch früher so stürmisch darum gebeten habe. Er antwortete: "Ehe ich bekehrt war, wollte ich nur meinen eigenen Kopf durchsetzen, aber seit ich ein Eigentum meines Herrn Jesus geworden bin, habe ich keinen anderen Willen als den Seinigen und ich überlasse mich meinem Gott wie ein Kind, das sich von seinem Vater führen lässt."
Seine Frömmigkeit war seinen Vorgesetzten ein rechter Dorn im Auge. Diese war das einzige Verbrechen, dessen man ihn beschuldigen konnte. So beeilte man sich, ihn zur Strafe sobald als möglich los zu werden und siehe da, bald darauf hatte er die ersehnte Entlassung.
Auf diese Weise lernte er, dass alle Worte des Herrn wahrhaftig, dass alle Seine Verheißungen Ja und Amen sind, aber das Gott alles erst fein und zu Seiner Zeit in Erfüllung gehen lässt.

Quelle: Der ewig reiche Gott, Dietrich Witt, Beispiel 1027
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