Fürbitte befreit von Selbstmordgedanken
Ein wegen Raubmords lebenslänglich Gefangener erzählte Pfarrer Bertsch, dass er in der Untersuchungshaft zweimal die Hand an sich selbst gelegt habe, um sich dem irdischen Richter zu entziehen, das eine Mal durch öffnen der Pulsader, das andere Mal unter Verwendung eines Hosenträgers durch abreißen des letzteren, und durch dazwischenkommen des Wärters im ersten Fall sei seine Absicht vereitelt worden. Allein von der Zeit an, in der es sich um seine Begnadigung, also um die Bewahrung vor dem Schaffot, gehandelt habe - und das habe sich Wochen hingezogen -, seien die finsteren Selbstmordgedanken ganz von ihm gewichen und habe eine innere Stimme ihm zugerufen: "Du sollst leben!" In dieser Zuversicht habe er getrost der Entscheidung entgegengesehen und seine lebenslängliche Strafe angetreten. Den Umschlag in seiner Stimmung könne er sich nicht erklären, um so weniger, als er zwar zu beten versucht, aber nie an eine Erhörung des Gebets geglaubt habe. Er war wie aus den Wolken gefallen, als ich ihm einen kurz zuvor eingelaufenen Brief aus seiner Heimat vorlas, in dem es hieß: "sagen sie dem armen Johannes, dass jemand seit seiner Verurteilung zum Tod für ihn betet; seine Mutter hat ihn mir seinerzeit auf dem Sterbebett ans Herz gelegt. Was ich bisher schon aber nur gewohnheitsmäßig, für ihn getan habe, tue ich jetzt mit ganz besonderer Inbrunst ich bin alt und weiß nicht, wie lange ich noch lebe, aber solange ich die Hände falten kann, will ich es für ihn tun."
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