Für den Feind sich geopfert
Ein grauhaariger Ingenieur nahm das Wort: "Wenn sie sich über die Missionare so lustig machen - das kann ich nicht gut vertragen. Ich habe nämlich mal vor Jahren aus einer Fahrt von Melbourne nach Liverpool etwas erlebt. Wir fuhren auf einem Frachtdampfer. Unter uns war eine Missionarsfrau; man hatte sie zur Erholung nach Hause geschickt. Sie lag fast den ganzen Tag für sich im Liegestuhl auf Deck. Aber da war unter den Männern ein Ire, dem sie offenbar ein Dorn im Auge war. Er warf nur so mit Bibel- und Gesangbuchversen um sich, erzählte bei Tisch Witze, und fast immer spielte darin ein Geistlicher oder Missionar die Rolle des Hanswursten. Die kleine Missonarin schaute während seiner Erzählungen in den Teller, sie tat, als hörte sie nicht hin; aber ich merkte wohl, dass ihr die Tränen im Halse steckten... Es brach Typhus an Bord aus. Wer's zuerst bekam: der Ire!... Die kleine Missionarsfrau meldete sich sofort beim Doktor zur Pflege des Schwerkranken. Er kam auch richtig durch, aber dann legte sie sich, und als wir auf der Höhe der Azoren waren starb sie.
Es war sehr bitter für uns alle, die beiden alten Leutchen, ihre Eltern, in Liverpool am Pier stehen zu sehen, um ihre Tochter abzuholen."
Aus: Herbert Gebort, "So sah ich die Welt".
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