Freiheit in Fesseln

Der Bauer Hans Nielsen Hauge (1771 - 1824) wurde der Erwecker Norwegens, als er auf seinen Wanderungen durchs Land die Menschen zu Jesus rief. Daran suchten ihn Kirche und Staat zu hindern, wo es nur möglich war.
Er war gerade wieder einmal bei einem Bürgermeister festgesetzt. Mit einemmal wurde die Tür aufgerissen, und herein in die Stube strömte eine wilde Schar, allen voran die Frau des Bürgermeisters. Und nun tanzten und tobten sie in der Gefangenenstube.
Da griff plötzlich die Frau des Bürgermeisters nach Hauges Hand und sagte: "Jetzt sollst du mit der Frau des Hausherrn tanzen!"
Lustige Schreie und helles Gelächter erhoben sich. "Tanz, Hauge!", schrien sie.
"Das will ich gern", sagte er, "wenn der Spielmann die Melodie spielt, die mir gefällt." Und dann erhob sich im Raum Hauges Stimme, und er sang:
"Nun will der Sünde nimmer ich mit Fleisch und Blut erliegen! Ich will sie täglich mehr und mehr mit Gottes Hilf' besiegen!" 
Das Lied drang mächtig durch den Raum. Mit einem Schlage war es totenstill ringsum. Die Frau des Bürgermeisters riss ihre Hand aus Hauges Hand zurück. Die Geige des Spielmanns sank herab, und Hauge sah sich im Kreise um.
"Heute ist der Tag des Herrn, der für euch gestorben ist. Ich stehe heute gefesselt und verhöhnt zwischen euch, weil ich Jesu Sache dienen will; trotzdem bin ich, Gott sei gedankt, freier als ihr. Denn ihr seid noch in den Fesseln der Sünde; ich aber bin frei gemacht durch Gottes Macht und durch die Gnade Jesu!"
Einer nach dem anderen der wilden Tänzer schlich hinaus, und bald war die Stube leer.

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 401
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