Fast vergiftet

Ein Apotheker erzählt: Als Gehilfe hatte ich öfters den Nachtdienst im Geschäft zu versehen, war aber immer ungehalten, wenn ich durch das Läuten der Glocke aus meinem süßen Schlaf geschreckt wurde. Einmal musste ich zum viertenmal in kurzer Zeit aufstehen, um einem Büblein, das übers Gebirge gekommen war, Tropfen für seine kranke Mutter zu geben. Schlaftrunken und mißgestimmt wie ich war, vergriff ich mich und gab statt der Arznei ein starkes Gift. Ich entdeckte es aber erst, als der Knabe schon geraume Weile fort war. Nachlaufen konnte ich ihm nicht mehr; aber ich betete inbrünstig zu Gott, er möchte doch das drohende Unheil gnädig abwenden, ihm sei ja alles möglich. Etwa nach einer halben Stunde klingelte es wieder, und derselbe Knabe stand da. Zitternd und schluchzend gestand er, dass er unterwegs gefallen sei und das Fläschchen zerbrochen habe, ich möchte ihm doch ein neues geben. O wie gerne tat ich das, und wie dankte ich nachher Gott für seine gnädige Fügung, durch welche die Mutter vor dem Tode und ich vor dem Gefängnis bewahrt worden war!

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 2409
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